Arabischer Antisemitismus in Deutschland

 

 

Das Gelsenkirchen-Prinzip – selbst über offenen muslimischen Judenhass sprechen manche Medien lieber verklausuliert. Das hat System, auch weil sich Redaktionen von Aktivisten einschüchtern lassen.

 

Arabischstämmige Demonstranten, die judenfeindliche Parolen brüllen, sind keine Antisemiten, und statt über Clan-Kriminalität sollen Journalisten lieber über den Klimawandel berichten: Der Antirassismus treibt in den Medien seltsame Blüten.

 

Lucien Scherrer in der NZZ am 19.05.2021

 

Wenn Demonstranten nationalistische Flaggen schwenken und «Scheissjuden!» skandieren, gibt es in der Regel nichts zu deuteln. In Medien und Polizeimeldungen ist dann von gewaltbereiten Fanatikern, Nationalisten oder Neonazis die Rede, die ihrem Judenhass freien Lauf gelassen hätten.

 

Doch als es am 12. Mai in Gelsenkirchen und in anderen deutschen Städten zu genau diesen Szenen kam – Frauen mit Hijab und Männer mit türkischen und algerischen Fahnen skandierten «Scheiss-juden» –, fielen die Reaktionen oft ganz anders aus. Die Polizei Gelsenkirchen berichtete zunächst von einer «nicht angemeldeten antiisraelischen Demonstration», bei der «auch antiisraelische Rufe skandiert» wurden.

 

Gewaltbereite, die laut «Tagesschau» Gewalt verurteilen

 

Bei «Spiegel online» und der «FAZ» war ebenfalls von «antiisraelischen Parolen» zu lesen, wobei in beiden Fällen nicht zu erfahren war, wer diese Parolen gebrüllt hatte. Erst nachdem der Zentralrat der Juden in Deutschland auf Twitter ein Video veröffentlicht hatte, in dem die Demonstranten zu sehen waren, publizierte die Polizei am 13. Mai eine ergänzende Meldung. «In unmittelbarer Nähe der jüdi-schen Synagoge», so hiess es nun, «wo die Beamten die Demonstranten durch eine Polizeikette auf-halten konnten, wurden aus der Gruppe heraus antisemitische Parolen skandiert.»

 

Die verharmlosenden, verschleiernden Berichte über den «antiisraelischen Demonstrationszug» haben in den (deutschen) Medien zwar einige Kritik hervorgerufen. Aber die letzten Tage haben gezeigt, dass es hier nicht um Einzelfälle oder redaktionelle Versäumnisse geht, sondern um ein verbreitetes Phä-nomen.

 

Das Schweizer Radio und Fernsehen sprach am Wochenende vage von «propalästinensischen Kreisen», die in Deutschland Antisemitismus schürten. Die «Tagesschau» der ARD wiederum erkannte bei einer Demonstration in Berlin «viele Teilnehmende», die deutlich machen wollten, «dass sie Gewalt in Nahost verurteilen».

 

In Wahrheit brüllten «die Teilnehmenden» Parolen wie «Khaybar, Khaybar, oh ihr Juden, Mohammeds Armee wird zurückkehren!» oder «Beschiesst Tel Aviv!». Dazu griffen sie Journalisten an und verletzten 93 Polizisten. Als Haupttäter identifizierte der Innensenator Andreas Geisel (SPD) «mehrere hundert arabischstämmige Jugendliche» und Linksextremisten.

 

Unerwünschte Fragen nach dem «wer»

 

So grotesk die medialen Verharmlosungen auch wirken mögen: Überraschend sind sie nicht. Denn politisch motivierte Bestrebungen, unangenehme Erscheinungen von Einwanderungsgesellschaften zu verdrängen, gibt es seit Jahren. Erstmals deutlich wurde das nach der Kölner Silvesternacht 2015, als die Polizei Informationen über die Herkunft der Frauenbelästiger unterdrückte. Auch bei antisemiti-schen und homosexuellenfeindlichen Gewalttaten wird oft so getan, als wüsste man nichts Genaueres über die Täter, sobald diese nicht «weiss» oder rechtsextrem sind.

 

Dabei gehörte die Beantwortung der Frage, wer was wie wo und warum gemacht hat, einst zu den wichtigsten Aufgaben von Medienschaffenden. Niemandem käme es in den Sinn, religiöse Symbole oder deutsche und Schweizer Flaggen an einer antisemitischen Kundgebung zu übersehen. Oder kulturell-religiöse Motive zu verschweigen, falls fundamentalistische Christen oder Hindus regelmässig Juden anpöbeln und Homosexuelle zusammenschlagen würden.

 

Dass das «wer» offenbar nicht zu interessieren hat, sobald Faktoren wie Islam oder Migration ins Spiel kommen, hat verschiedene Gründe. Zum einen wollen viele Journalisten keinesfalls fremdenfeindliche Ressentiments befeuern oder Applaus von der falschen (sprich: rechten) Seite ernten. Andere wollen nicht wahrhaben, dass vermeintliche Opfer der «Mehrheitsgesellschaft» genauso intolerant und gewalttätig sein können wie Rechtsextremisten.

 

Zum anderen üben linke und offiziell antirassistische Aktivisten mit staatlicher Hilfe zunehmenden internen und externen Druck auf Redaktionen und Publizisten aus. Erwünscht und von öffentlichem Interesse ist in dieser Wahrnehmung nur, was zum positiven Bild der Migranten (als Kollektiv) beiträgt und was die These der strukturell rassistischen Mehrheitsgesellschaft bestätigen soll. Wer dagegen auf Probleme in manchen migrantischen Milieus hinweist, gehört in der Aktivistenlogik diffamiert, egal, wie seriös er arbeitet.

 

Seriöse Recherchen sind für Aktivisten bloss Hetze

 

Exemplarisch für diese Bestrebungen sind die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM, auszu-sprechen mit einem sogenannten Glottischlag). Die NdM erhalten in Deutschland eine beachtliche mediale Resonanz und beträchtliche finanzielle Zuwendungen, obwohl ihre Vertreter unentwegt ver-künden, Migranten würden in diesem strukturell rassistischen Land systematisch diskriminiert; 2019 und 2020 bekamen sie staatliche Projektbeiträge von jeweils über einer Million Euro.

 

Zu den Feindbildern des Vereins gehört unter anderem der deutsch-ägyptische Autor Hamed Abdel-Samad, der wegen seiner Kritik am Islam unter Polizeischutz leben muss. Für den NdM-Vorstand Daniel Bax ist Abdel-Samad bloss ein «notorischer Hetzer», der nirgends eine Tribüne für seine «kruden Thesen» erhalten soll. Dabei basieren Abdel-Samads Bücher, die sich unter anderem um die geschei-terte Integration arabischer Jugendlicher und Muslime drehen, auf fundierten Recherchen – und wie die jüngsten Ereignisse in Deutschland zeigen, sind seine Warnungen berechtigt.

 

Dass Aktivisten mit staatlicher Beihilfe seriöse journalistische Arbeit skandalisieren, beweist auch die Polemik gegen Berichte über Clan-Kriminalität in Deutschland. Geschürt wird diese Polemik besonders von den NdM, die den Sender Spiegel TV Anfang Jahr mit einem Schmähpreis namens Goldene Kar-toffel beehrt haben, für «unterirdische Berichterstattung». Dies mit der Begründung, dass Berichte von Spiegel TV über Clan-Kriminalität nichts mit der Realität zu tun hätten. Zudem komme es einer Stigma-tisierung von Minderheiten gleich, wenn in den Beiträgen von Parallelgesellschaften die Rede sei.

 

Schreibt doch lieber über Corona

 

«Ohne Spiegel TV», so die Medienkritiker in einem Video, «wüssten wir gar nicht, dass wir bedroht sind, also nicht von Corona, Klimawandel oder Rechtsterror, sondern von ein paar grosskotzigen Krimi-nellen.» Diese seien nämlich gemäss Bundeskriminalamt nur für 8 Prozent der Fälle von organisierter Kriminalität verantwortlich.

 

Die Nachricht von den rassistischen Spiegel-TV-Redaktoren wurde in deutschen Medien emsig weiter-verbreitet, im öffentlichrechtlichen Deutschlandfunk genauso wie in der linken «TAZ» und der altstali-nistischen «Jungen Welt», die das ganze unter dem an DDR-Zeiten erinnernden Titel «Hetze in den Medien» präsentierte. «Der Spiegel» dagegen verzichtete wohlweislich auf eine Berichterstattung, während man dem Preis 2019 noch viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Aber damals stand auch die Konkurrenz von ARD und ZDF am Pranger, weil sie Migranten in Talkshows angeblich zu wenig Beachtung schenkt.

 

Dabei ist die Clan-Berichterstattung von Spiegel TV bester Journalismus, mutig und solide. Die beiden verantwortlichen Reporter Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer beschäftigen sich seit Jahren mit den Machenschaften arabischstämmiger Clan-Mitglieder, die unter anderem wegen Schutzgeld-erpressungen, Raubüberfällen, Drogenhandel, Geldwäsche und gefährlicher Körperverletzung im Fokus der Strafverfolger sind.

 

Pressefreiheit? Hundefreiheit!

 

Der Rechts- und Islamwissenschafter Mathias Rohe, der in den Berichten als Experte auftritt, findet die Sendungen denn auch qualitativ völlig in Ordnung, trotz «etwas plakativer Aufarbeitung». So kommen in den Dokumentationen nicht nur Polizisten und Politiker zu Wort, sondern auch viele Clan-Männer. Vor laufender Kamera erklärte einer, das Grundgesetz interessiere die Clans nicht, «wir gehen nur nach islamischem Recht». Ein anderer Zeuge sagte, dass 60 bis 70 Prozent seines Clans kriminell seien, «locker». Frauen gelten in diesen Kreisen als Eigentum des Mannes.

 

Da gerade Frauen unter den Clan-Strukturen leiden, ist es laut Mathias Rohe auch besonders verant-wortungslos, Fakten über diese kriminellen Strukturen aus der öffentlichen Debatte zu verdrängen. Tatsächlich bleiben die aktivistischen Tabuisierungsversuche nicht folgenlos. Die Berliner SPD dis-kutierte vor einigen Monaten darüber, ob man den Begriff «Clan-Kriminalität» aus dem Wortschatz tilgen solle, da er rassistisch sei. Wobei man nach dieser Logik auch die Begriffe «Mafia» und «Ca-morra» ausmerzen könnte, da sie alle Italiener stigmatisieren könnten.

 

Die Clan-Mitglieder selber inszenierten sich auf Clubhouse als Unschuldige, die wie im Zweiten Weltkrieg verfolgt werden, «wo sie auf die Juden geritten sind». Was in Deutschland Pressefreiheit genannt werde, sei in Wahrheit Hundefreiheit. Sukkurs erhielten die mutmasslichen Clan-Mitglieder von der Komikerin Idil Baydar, die zwei Typen von Journalisten definierte: die schlechten, die «unsere Leute» dämonisieren, und die Guten, die «auf unserer Seite» stehen.

 

Die Guten, so könnte man aus aktuellem Anlass hinzufügen, hören und sehen nichts, selbst wenn Synagogen attackiert und jüdische Mitbürger mit dem Tod bedroht werden.

 

Medien: die grosse Scheu, muslimischen Antisemitismus zu benennen (nzz.ch)