Steuerflucht

 

 



 

 

Sie fliehen nicht vor Krieg

 

100 Milliarden pro Jahr - Über die Kosten für diese Flüchtlinge spricht niemand

 

Focus Online Money, 24. 09.2015

 

 

Viele Menschen ärgern sich über hohen Kosten, die die Flüchtlingen verursachen. Weit weniger Aufmerksamkeit erregen aber andere Flüchtlinge in Deutschland. Sie kommen die Gesellschaft noch viel teurer zu stehen.

 

Derzeit sprechen viele über die hohe Belastung, die Deutschland durch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern bevorstehe. Doch es sind andere Flüchtlinge, die ein viel größeres Loch in die Staatskasse reißen.

 

800.000 Flüchtlinge erwartet

 

800.000 Menschen aus Krisengebieten sollen dieses Jahr nach Deutschland kommen, so die vorläufige Prognose. Die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung sollen laut Schätzungen sich auf rund zehn Milliarden Euro belaufen. Das ist viel Geld. Doch nur ein Bruchteil von dem, was andere Flüchtlinge verursachen.

 

Steuerflüchtlinge kosten Deutschland wesentlich mehr

 

Die Rede ist von Steuerflüchtlingen. Sie umgehen den Fiskus, weil sie die Steuersätze in Deutschland nicht akzeptieren oder zahlen wollen - und kommen die Gesellschaft teuer zu stehen.

 

100 Milliarden Euro gehen dem Fiskus jährlich verloren

 

Rund 400 Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld liegen weltweit in Steueroasen, so die Schätzungen. Steuerhinterziehung ist in Deutschland ein massives Problem. Dem Fiskus gehen dadurch Jahr für Jahr geschätzt 100 Milliarden Euro verloren.

 

Das ist zehnmal so viel wie Deutschland in diesem Jahr für Flüchtlinge ausgeben wird, die um ihr Leben fürchten - und nicht um ihr Geld.

 

 


 

 

Steuerflucht kostet 150 Milliarden Euro

 

 

25.11.2014 |  Jakob Zirm (Die Presse)

 

 

Dass Steueroasen regen Zustrom von Geld haben, ist bekannt. Die London School of Economics hat nun versucht zu errechnen, wie viel es wirklich ist. Und wie viel an Steuer ausfällt.

 

 

Wien. Spätestens seit „Luxemburg-Leaks“ ist das Thema auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Anfang des Monats veröffentlichte ein Journalisten-Netzwerk 548 vertrauliche Unterlagen, mit denen das Beratungsunternehmen PwC im Auftrag von Firmenkunden Anträge für Steuerspar-Konstruktionen bei den Luxemburger Finanzbehörden einreichte. Diese Konstruktionen waren zwar immer legal, nutzten aber auf trickreiche Art die – von manchen Ländern bewusst geschaffenen – Lücken in den unterschiedlichen Steuersystemen, um Firmengewinne in Länder zu bringen, wo sie mit sehr niedrigen Steuersätzen besteuert werden.

 

Die PwC-Unterlagen beschreiben dabei zwar die Einzelfälle im Detail, geben jedoch keine Auskunft über die gesamte Größenordnung der Thematik. Dies versucht nun eine Studie des Ökonomen Gabriel Zucman von der London School of Economics, die im „Journal of Economic Perspectives“ veröffentlicht wurde („Taxing across Borders: Tracking Personal Wealth and Corporate Profits“).

 

Bermuda und Irland

 

Zucman hat sich dabei an Hand von US-Zahlungsbilanzdaten angesehen, aus welchen Ländern die Auslands-Gewinne von amerikanischen Firmen stammen. Das Ergebnis: Rund 55 Prozent davon kamen im Jahr 2012 aus Ländern, die von multinationalen Konzernen aus steuerlichen Gründen gerne als Sitz für Tochterfirmen genommen werden (siehe Grafik). Dass sich dabei neben relativ „eindeutigen“ Ländern wie Bermuda auch Irland oder die Niederlande befinden, sollte nicht verwundern. So lässt sich mit Tochterfirmen in diesen beiden Ländern eine gängige Steuerspar-Konstruktion errichten („Double Irish with a Dutch Sandwich“), die vor allem von Internet- und Elektronikfirmen wie Google oder Apple genutzt wird – und jüngst zu einer Ermittlung der EU-Kommission geführt hat.

 

Da der Anteil der Auslandsgewinne rund ein Drittel aller US-Firmengewinne stellt, ergibt sich dadurch ein Anteil von etwa 18 Prozent, der aus diesen Ländern stammt, so Zucman weiter. Gegenüber den 1980er-Jahren sei dies eine Verzehnfachung.

 

Wie wenig Steuern dabei anfallen, zeigt die Studie an Hand des Beispiels Microsoft. Der US-Softwarekonzern wies heuer Auslandsgewinne in Höhe von 92,9 Mrd. Dollar aus – der Großteil davon stammte von den Töchtern in Puerto Rico, Singapur und Irland. Würde Microsoft dieses Geld in die USA holen, wäre eine Zahlung von 29,6 Mrd. Dollar fällig. Dies entspräche einer Steuerrate von 31,9 Prozent. Da die US-Körperschaftsteuer 35 Prozent beträgt, Microsoft aber die im Ausland gezahlte Steuer abziehen darf, ergibt sich daraus ein Steuersatz von 3,1 Prozent, der im Ausland für den Milliardengewinn angefallen war.

 

Neben dem Anteil der Firmengewinne, die aus Steuerparadiesen stammen, hat die Studie auch versucht zu eruieren, wie viel Geld von Ausländern in ebendiesen Ländern überhaupt geparkt ist. Offizielle Statistiken dazu veröffentlicht jedoch nur die Schweiz und Luxemburg. Daher versucht Zucman es mit einer Näherung über die globalen Investitionsbilanzen: Kauft ein britischer Investor nämlich über ein Schweizer Bankkonto Aktien in den USA, zeigt die US-Statistik eine Verbindlichkeit. Die britische Statistik sollte ein Vermögen zeigen, was sie aber nicht tut, da sie keine Zahlen hat. Und die Schweizer Statistik zeigt ebenfalls nichts an, da das Investment des britischen Investors weder Verbindlichkeit noch Vermögen ist.

 

Sechs Billionen Euro

 

Da deutlich mehr Verbindlichkeiten als Vermögen in den globalen Statistiken aufscheinen, errechnet Zucman, dass acht Prozent des weltweiten Finanzvermögens – rund sechs Billionen Euro – in Steueroasen gebunkert wird. Mit rund einem Drittel davon stammt der größte Teil des Geldes aus Europa, gefolgt von Asien (eine Billion Euro) und den USA (rund 950 Mrd. Euro). Für die betroffenen Länder bedeute dies einen Steuerausfall von 150 Mrd. Euro pro Jahr.

 

Würde dieses Geld in den jeweiligen Heimatländern versteuert, würde dies zwar absolut gesehen viel bringen, relativ jedoch die Steuerverteilung nicht wesentlich ändern, muss auch Zucman eingestehen. So zahlt das reichste 0,1 Prozent in den USA bereits heute mit 200 Mrd. Dollar pro Jahr 16 Prozent aller Einkommensteuern. Dieser Prozentsatz würde auf 18 Prozent ansteigen.