Neuer Kulturkampf

 

 

Kündigung nach Plagiatsvorwürfen:

Universität Bonn trennt sich von Ulrike Guérot

 

Das Verhältnis war seit einiger Zeit belastet, nun wurde der prominenten Politikwissenschafterin gekündigt.

Die Bestsellerautorin habe sich fremdes geistiges Eigentum widerrechtlich zu eigen gemacht. Guérot will

gegen ihre Kündigung klagen.

 

Alexander Kissler, NZZ, Berlin 24.02.2023

 

Die Universität Bonn hat sich von der bekannten Politologin und Publizistin Ulrike Guérot getrennt. Guérot schrieb am frühen Freitagmorgen beim Kurznachrichtendienst Twitter, ihr sei «wegen Plagiat in einem nicht-wissenschaftlichen Buch von 2016 zum 31. 3. gekündigt» worden. Sie werde juristisch dagegen vorgehen und stehe für Anfragen nicht zur Verfügung. Sollte die Kündigung wirksam werden, sieht sich Guérot als historisch «erste Person» in Deutschland, die wegen eines Plagiatsvorwurfs ihre Stelle verlöre.

 

Die Universität bestätigte gegenüber der NZZ, arbeitsrechtliche Schritte gegen Guérot eingeleitet zu haben. Den Vorwurf, sie habe sich «während ihrer Dienstzeit an der Universität Bonn fremdes geistiges Eigentum angeeignet,

ohne dies als solches kenntlich zu machen», sehen die zuständigen Gremien als bestätigt an. Dies gelte auch für

«eine frühere Veröffentlichung, die für die Berufung von Relevanz war».

 

Die Wissenschafterin und Autorin hat seit 2021 die Professur für Europapolitik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität inne. Zuvor leitete sie fünf Jahre lang das Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität im österreichischen Krems. Während der Corona-Pandemie gehörte sie zu den schärfsten Kritikern der staatlichen Grundrechtseinschränkungen. Unlängst war sie Erstunterzeichnerin des «Manifests für Frieden» von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht.

 

Der Stein des Anstosses

 

Mit dem nichtwissenschaftlichen Buch, das zum Stein des Anstosses wurde, ist der 2016 erschienene Bestseller

«Warum Europa eine Republik werden soll» gemeint. Guérot wurde im Mai und im August des Jahres 2022 vorge-worfen, an mehreren Stellen die Autoren von Zitaten genannt, aber nicht jede Übernahme korrekt ausgewiesen zu haben, mit An- und Abführungszeichen.

 

Ein Trierer Germanist sah in drei Gastbeiträgen, erschienen in der «Frankfurter Allgemeinen» und der «Zeit», den

Tatbestand einer «grossflächigen Abschreiberei» erfüllt. Daraufhin musste Guérot die Jury des Sachbuchpreises des Norddeutschen Rundfunks verlassen – zumal auch das Erfolgsbuch von 2022 zum Umgang von Staat und Gesell-

schaft mit der Corona-Pandemie, «Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir

leben wollen», unter Verdacht geraten war.

 

Guérot hat mehrfach öffentlich um Entschuldigung für ihre Verstösse gegen das Urheberrecht gebeten. Es handle

sich um Flüchtigkeitsfehler, dem grossen Zeitdruck vor der Abgabe des jeweiligen Manuskripts geschuldet. Sie sei

zum Ziel einer «Rufmordkampagne» geworden.

 

Damit spielt sie auf die harsche inhaltliche Kritik an ihren beiden jüngsten Büchern und ihren Interviews zur Pandemie und zum Krieg in der Ukraine an. In «Wer schweigt, stimmt zu» hatte sie in einer später bedauerten Wendung ge-schrieben: «Zuerst räumen wir auf, jeder in seinem Land.» Sollte das Virus aus einem Labor stammen, müssten «die Verantwortlichen dem Internationalen Strafgerichtshof» überantwortet werden. Die «dunklen Gestalten von Pfizer und Co.» dürften nicht entkommen. In der «neuen Demokratie» sei nur noch frei, «wer sich in die körperliche und geistige Unfreiheit» begebe. Wegen solcher und vergleichbarer Formulierungen wurde Guérot der Nähe zur «Querdenker»-Szene geziehen.

 

Streitfall Ukraine

 

Auf noch heftigeren Widerspruch stiessen ihre Einlassungen in dem gemeinsam mit Hauke Ritz verfassten Buch «End-spiel Europa – Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist und wie wir wieder davon träumen können». Die Autoren plädieren für eine europäische Souveränität, basierend auf einer «europäischen Staatlichkeit» und einer «stärkeren Teilhabe der Bürger an europäischen Entscheidungen».

 

Ausserdem jedoch unterstellen Ritz und Guérot den Vereinigten Staaten eine «Strategie der Abspaltung Europas von Russland, in der die Ukraine ab dem Maidan 2014 das Herzstück werden sollte». Bei den damaligen Protesten in Kiew

sei «auf dem Rücken wahllos erschossener Demonstranten und Polizisten die westliche Einflusszone vergrössert» und so der «russische Kulturraum», zu dem «unbestritten zumindest die Ost- und Südukraine» gehöre, gespalten worden. Der Ukraine sei dann die Rolle zugefallen, «stellvertretend für den Westen einen Krieg mit Russland zu beginnen».

 

Fortan galt Guérot ihren Kritikern als Sprachrohr russischer Interessen. Bei einem Auftritt in der ZDF-Talkshow Markus Lanz Anfang Juni 2022 musste die Publizistin sich heftiger Widerworte der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmer-mann erwehren. Zwei Monate später forderte der Studentenausschuss der Universität Bonn eine «öffentliche Zurück-weisung» der Positionen Guérots. Diese stünden «im direkten Widerspruch mit dem Selbstverständnis der Universität Bonn», besonders zum «Anspruch an wissenschaftliche Exzellenz», aber auch zur «offenen Solidarität mit den vom russischen Angriffskrieg betroffenen Menschen in der Ukraine».

 

Angestellt, nicht verbeamtet

 

Die Universitätsleitung reagierte Ende Oktober und gab eine «Stellungnahme zu öffentlichen Äusserungen eines Mitglieds der Universität» ab. Guérot war gemeint, wurde aber nicht genannt: Die Uni verurteile «den völkerrechts-widrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine». Ausserdem prüfe sie Verdachtsfälle auf wissenschaftliches Fehl-verhalten und belege sie «gegebenenfalls» mit Sanktionen.

 

Dieser Zeitpunkt ist nun aus Sicht der Universitätsleitung gekommen. Dass die angedrohte Sanktion eine Kündigung bedeuten soll, ist auch deshalb möglich, weil Guérot zwar Professorin an der neu geschaffenen Professur für Europa-politik, aber keine verbeamtete Universitätsprofessorin ist. Sie wurde 2021 aufgrund ihres Alters – sie war damals 56 Jahre alt – nicht verbeamtet, sondern als Angestellte im öffentlichen Dienst zu frei ausgehandelten Bezügen unbefristet verpflichtet.

 

Wäre sie Beamtin, müsste die Uni sich zudem im Rahmen einer besonderen Fürsorgepflicht bei Vorwürfen ausserhalb des strafrechtlich relevanten Bereichs schützend vor Guérot stellen.

 

https://www.nzz.ch/international/ulrike-guerot-universitaet-bonn-trennt-sich-von-der-politologin-ld.1727611

 


 

Die Kampagne gegen Ethnologin Susanne Schröter könnte sich zum Bumerang entwickeln

 

Roland Springer in Tichys Einblick am 9. Mai 2023

 

Der Eklat um Boris Palmer am Rande einer Migrationskonferenz an der Universität Frankfurt wird von den Gegnern der Konferenz instrumentalisiert, um kritische Migrationsforscher aus dem Diskurs auszuschließen.

Sie outen sich damit nun auch öffentlich als Feinde der Wissenschaftsfreiheit.

 

Schon vor Beginn der Konferenz zum Thema „Migration steuern, Pluralität gestalten“ wurde nicht nur vom AStA der Universität Frankfurt Stimmung gegen die Veranstalterin und Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Susanne Schröter, gemacht. Sie betreibe politischen Aktivismus unter dem Deckmantel der Wissenschaft, lautete unter anderem der Vorwurf des Vorstandsmitglieds der hessischen SPD, Jan Pasternak, der dies vor allem an der Einladung von Boris Palmer als Referent der Veranstaltung festmachte. Er verband seinen Vorwurf zudem mit „der Pflicht zu prüfen, ob das FFGI noch seinem Forschungsauftrag gerecht werde.“ In dasselbe Horn stießen einige wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität, die Schröter in einem anonym verfassten, öffentlichen Brief vorwarfen, sie reproduziere mit ihrer Konferenz „islamfeindliche und rassistische Stereotype“.

 

Seit dem Eklat um den Streit zwischen Boris Palmer und studentischen Aktivisten um die politisch korrekte bzw. nicht korrekte Verwendung von Worten am Rande der Konferenz, der postwendend zum Austritt Palmers aus der grünen Partei führte, weiteten sich die Angriffe auf Schröter und ihr Forschungszentrum zu einer regelrechten Kampagne aus. Dabei spielen die Vorträge und Diskussionen auf der Konferenz keinerlei Rolle, sondern nur der Eklat um Palmer, der

mit der Veranstaltung selbst gar nichts zu tun hatte.

 

So schreibt etwa der AStA der Universität Frankfurt: „Es bedarf nun einer umfassenden Aufarbeitung dieses Falles. In der Verantwortung stehen dabei in erster Linie das Universitätspräsidium und die Verantwortlichen am Forschungszentrum ‚Normative Ordnungen‘, die der Veranstaltung Raum boten. Die Aufarbeitung muss von der Prämisse ausgehen, dass im Namen der Wissenschaftsfreiheit nicht jeder Unsinn und erst recht kein Rassismus und Antisemitismus verbreitet werden dürfen. Für Susanne Schröter, die diesen Eklat mitzuverantworten hat, muss es Konsequenzen geben.“

 

Noch radikaler formuliert der Vorstand des Exzellenzclusters Africa Multiple an der Universität Bayreuth in einer Stellungnahme, die über 200 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter zahlreicher deutscher Hochschulen unterschrieben haben: „Schröters Forschungszentrum ist zu einer Zumutung geworden, und es ist beunruhigend zu sehen, wie sie ihre akademischen Titel und ihre Position einsetzt, um Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus zu gießen. Ihr mangelndes Bewusstsein für diese Zusammenhänge belegt, wie sie selbst in die Artikulation höchst proble-matischer Positionen verwickelt ist, auch wenn sie sich inzwischen von der jüngsten beschämenden Episode zu dis-tanzieren sucht“ – um dann mit einer Philippika gegen die objektive Wissenschaft und die Wissenschaftsfreiheit fortzu-fahren. Diese würden als „weiße bürgerliche Privilegien instrumentalisiert, um rassistische Standpunkte, Praktiken und Sprache zu artikulieren“.

 

Der SPD-Politiker Mathias Brodkorb hat zurecht formuliert, hier habe sich eine hohe dreistellige Zahl von Wissenschaft-lern „zusammengerottet, um eine Kollegin am besten mundtot zu machen.“ Und ebenso zurecht weist er angesichts eines solchen Vorgehens darauf hin, in welch jämmerlichem „geistigen und charakterlichen Zustand sich Teile der deutschen Wissenschaft bereits befinden“, allen voran die Kultur-, Geistes und Sozialwissenschaften. Sie sind mittler-weile auf bestem Weg, wie schon in den USA und Großbritannien zu Brutstätten einer Wissenschaftsfeindlichkeit zu werden, die im Gewand des Postmodernismus, des Postkolonialismus und des Gender-Mainstreaming das betreibt,

was sie Schröter zu Unrecht vorwirft: blanken politischen Aktivismus jenseits allen wissenschaftlichen Erkenntnis-interesses.

 

Ob diese „Karawane“, wie Brotkorb befürchtet, auch in Deutschland „in Zukunft weiterziehen wird“, ist dennoch nicht ausgemacht. Das belegen nicht nur die Reaktionen einiger Medien auf die Kampagne gegen Schröter, sondern auch

die Stellungnahme von rund 600 Wissenschaftlern und Nicht-Wissenschaftlern zur Verteidigung der Wissenschafts-freiheit. Mit ihr sprechen sie sich „gegen jede Diffamierung der islamismus-kritischen Wissenschaftler und Wissenschaft-lerinnen“ der Frankfurter Konferenz aus und fordern die Fortführung einer „kritischen Debatte über den politischen Islamismus und die aktuelle Migrationspolitik“.

 

Kritik an den Positionen der Frankfurter Referenten sei „natürlich legitim, sollte aber in argumentativer Auseinander-setzung und nicht in Forderungen nach Abschaffungen der Konferenzen und persönlicher Diffamierung bestehen.“

Die Unterzeichner fordern daher „die Politik und die Universität Frankfurt auf, Prof. Dr. Susanne Schröter gegen die Diffamierungen in Schutz zu nehmen und weiterhin zu unterstützen und ihre Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen.“

 

Ob diese Aufforderung Früchte tragen wird, wird man in nächster Zeit sehen, in der es unter anderem für Susanne Schröter um die Weiterführung der Finanzierung ihres Forschungszentrums geht. Zu hoffen ist vor diesem Hinter-

grund jedenfalls, dass sich die Kampagne des AStAs der Universität Frankfurt sowie der Professoren aus dem Umfeld der Universität Bayreuth für sie zu einem Bumerang entwickelt, nachdem sie sich mit ihrer Stellungnahme nun auch öffentlich als Feinde der Wissenschaftsfreiheit geoutet haben.

 

https://www.tichyseinblick.de/meinungen/kampagne-schroeter-frankfurter-migrationskonferenz/