Über die Zerstörung schwulen Lebens
Von schwulen Männern wird wieder bedingungsloser Gehorsam eingefordert. Nicht durch „heteronormative“ Männer, sondern durch queere Aktivisten und ihre Unterstützer. Was als „Fortschritt“ verkauft wird, läuft auf die Zerstörung schwulen Lebens hinaus.
FLORIAN GRELLER am 2. Juli 2025 in CICERO ONLINE
Florian Greller ist Initiator und Leiter von Just Gay Germany und setzt sich ehrenamtlich für die Belange von schwulen Männern ein. Weiterhin unterstützt er Frauen bei ihrem Kampf für ihre Rechte und setzt sich für die Meinungsfreiheit ein. Florian Greller
ist Teil der Gender kritischen Bewegung, veröffentlichte bereits Texte zu diesem Thema und wurde vielfach zitiert. Der Autor ist
in Osnabrück ansässig und deutschlandweit aktiv.
Eine wahrlich glorreiche Zukunft steht schwulen Männern in Deutschland angeblich bevor: Diversität, Vielfalt und Toleranz stehen nämlich ganz oben auf der Agenda, und nicht wenige Menschen zeigen fortwährend ihre Solidarität.
Sie lassen keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie progressiv sie sind. Alle, die nicht mitmachen, werden belehrt, was richtig ist, und ganze gesellschaftliche Bereiche – wie zum Beispiel die Kultur – sind fest in Regenbogenhand.
Es findet schon beinahe ein Wettbewerb der politischen Korrektheit statt. Überall sieht man schöne bunte Flaggen,
und der öffentlich-rechtliche Rundfunk glänzt durch eine omnipräsente Vielfaltsoffensive zur Steigerung der Akzeptanz queerer Lebensweisen. Es scheint ein fortwährendes Fest der Toleranz gefeiert zu werden, und Deutschland erscheint als sicherer Hafen für schwule Männer und andere im Regenbogen.
Doch die Erkenntnis breitet sich aus, dass das Ganze doch mehr Fassade ist. Die Vielfaltsoffensive aus Medien, Politik und „Allies“ – wie sich heterosexuelle Verbündete queerer Menschen nennen – führt offenbar zu einer gesteigerten Ablehnung. Wer einer bestimmten Weltsicht nicht zustimmt, wird grundsätzlich verdächtigt. Anstatt Menschen mitzu-nehmen, wird mit der Brechstange gearbeitet – und immer mehr Beobachter sehen in der stolzen „progressiven Flagge“ ein Sinnbild für eine gescheiterte queere Politik, die für die Beendigung der Rechte von Frauen und Homosexuellen steht.
Die Glanzwelt bekommt also Risse, und die Toleranz stößt an ihre Grenzen. Nach wenigen Jahren der Ruhe ist es turbulent geworden, und wie es am Ende ausgeht, lässt sich noch nicht sagen. Nicht nur schwule Männer lehnen die Bezeichnung „queer“ für sich ab, weil sie mit der entsprechenden Politik und der damit einhergehenden toxischen Stimmung hadern, sondern auch andere. Diese Politik hat Konsequenzen, und diese Konsequenzen offenbaren sich immer deutlicher.
Die Ablehnung wird offensichtlich
Tatsächliche Neo-Nazis stehen wieder auf der Straße und zeigen offen ihren Hass. Kritische schwule Männer werden ausgegrenzt, ausgestoßen und diffamiert von staatlichen Stellen und von Teilen des Regenbogens. No-Go-Areas in Berlin, Islamismus und zunehmende Ablehnung unserer Lebensweise durch Menschen, die aus Kulturen kommen,
die uns feindlich gegenüberstehen. Leugnen lässt sich das nicht mehr. Während die einen Islamophobie und Rassismus anprangern, wird gleichzeitig ein schwuler Lehrer gemobbt, und auch andere Missstände tun sich auf.
Schwule Männer, die Diskriminierung durch religiösen Fanatismus, Intoleranz und Hass vermeintlich hinter sich
gelassen haben, sehen sich nun wieder damit konfrontiert. Willkommen in Deutschland im Jahr 2025 – ein Land,
das schwule Männer entrechtet und wieder mit einem Anti-Schwulen-Gesetz glänzen kann, das schwule Männer zumindest moralisch kriminalisiert und ihnen mit Bußgeldern droht.
Die Verursacher dessen sind jedoch nicht vermeintlich Konservative oder Heterosexuelle, sondern eine völlig fehlgeleitete Politik im Namen der Toleranz und des Regenbogens, einhergehend mit einer aufgeheizten Stimmung,
die ausgrenzt und spaltet. Wann war eigentlich der Zeitpunkt, an dem das Eintreten für die eigenen Bedürfnisse, das Fordern von eigenen Schutzräumen zum moralischen Verbrechen erklärt wurde?
Die Konsequenzen werden sichtbar
Das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz greift immer mehr auch in das alltägliche Leben ein. Die Staatsanwaltschaft nimmt sich des Themas des Misgenderings an, also der Vorwurf, eine Person mit den angeblich falschen Pronomen angesprochen zu haben, obwohl die Biologie etwas anderes sagt. Die ersten juristischen Auseinandersetzungen sind bereits bekannt, und es wird, etwa im Streit um die Zugangsberechtigung biologischer Männer zu Schutzräumen für Frauen, die Frage geklärt, ob das Hausrecht noch gilt oder nicht.
Viele erinnern sich noch gut an die Worte des Ministers Marco Buschmann (FDP), der bei der Vorstellung des Selbstbestimmungsgesetzes damals versicherte, es ändere sich für niemanden etwas, und dass auch das Hausrecht gelte. Wie falsch er lag, zeigen gleich mehrere Fälle, und bereits nach ein paar Monaten wird das vorhergesagte Desaster offenbar. Der prominenteste Fall ist wahrscheinlich der einer Trans-Frau, die eine Mitgliedschaft in einem Erlanger Fitnessstudio nur für Frauen fordert. Der Fall hat es sogar in die nationale Berichterstattung geschafft.
Jede und jeder sollte sich die Zeit nehmen, das Selbstbestimmungsgesetz zu lesen, um zu erfahren, wie tief es in die Gesellschaft eingreift, die Meinungsfreiheit einschränkt und die Elternrechte beschneidet. Wenn beispielsweise Eltern einer Änderung des Geschlechtseintrages ihres Kindes widersprechen, wird das Familiengericht eingeschaltet. Das Problem liegt nicht nur im Selbstbestimmungsgesetz. Es ist eine Gemengelage verschiedener Faktoren, die als Ganzes betrachtet werden sollten. Viele wollen viel Gutes, aber leider schadet vieles, was dann folgt, mehr, als es nützt.
Das Hauptproblem lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Zwang. Schwule Männer sollen gezwungen werden,
sich zu öffnen; sollen gezwungen werden, sich neu definieren zu lassen. Sie sollen gezwungen werden, zu lügen und gleichzeitig den Mund zu halten und alles so hinzunehmen, wie es ihnen verkauft wird. Bedingungsloser Gehorsam
wird erwartet, und wer dem nicht folgt, ist raus. Doch nicht der „heteronormative“ Mann weist kritischen schwulen Männern die Tür, sondern bunte Aktivisten und ihre „Allies“.
Warum das Selbstbestimmungsgesetz abgelehnt wird
Das, was als „Fortschritt“ verkauft wird, ist nichts anderes als die Zerstörung schwulen Lebens. Das Selbstbestimmungs-gesetz etwa definiert den schwulen Mann neu. Was zählt, ist die Identität, das soziale Geschlecht und die Geschlechts-rolle (Gender), und nicht das biologische Geschlecht (Sex). Was ist aber die Homosexualität, wenn diese durch Gender ersetzt wird? Nichts mehr. Es liegt hier eine klare neue Definition des Geschlechts vor, einhergehend mit einer neuen Definition der sexuellen Orientierung. Sex ist jedoch elementar für die Rechte schwuler Männer.
Schwuler Mann ist gleich erwachsene Person männlichen Geschlechts. Die sexuelle Orientierung ist die Homosexualität – „same sex attracted“. Das ist die Definition von Just Gay Germany. Eine Organisation, welcher der Autor dieser Zeilen vorsitzt, die sich für die Belange von schwulen Männern einsetzt. Basierend auf dem biologischen Geschlecht.
Wer der Ansicht ist, dass die Grundlage von Geschlecht eine sexuelle Identität oder eine Geschlechtsidentität ist, dessen Meinung fällt unter die Meinungsfreiheit. Problematisch ist jedoch, was eingetreten ist: Homosexualität wird zu einer Identität verklärt. Dies führt zum Verlust schwuler Räume und deren Infrastruktur. Was zählt jetzt? Sex oder Gender?
Die Antwort ist „Gender“. Nicht nur das Gesetz bestätigt dies, sondern auch die Fördergeldpolitik von Bund, Ländern
und Kommunen. Eine schwule Infrastruktur gibt es faktisch nicht mehr, und die letzten „schwulen“ Orte werden durch die Fördergeldpolitik gefügig gemacht. Geld bekommt nur, wer inklusiv ist, nicht exklusiv.
Das Offenbarungsverbot, Teil des Selbstbestimmungsgesetzes, sieht sogar Bußgelder von bis zu 10.000 Euro vor, wenn das tatsächliche Geschlecht genannt wird. Es ist eine der irrwitzigsten Passagen des Gesetzes, weil jeder das Geschlecht jährlich ändern kann. Wir sollen zum Lügen gezwungen werden, was wiederum ein klarer Angriff auf die Meinungs-freiheit ist. Die Gefahr besteht, juristisch belangt zu werden, weil gegen Just Gay Germany der Vorwurf der Diskrimi-nierung erhoben wird. Praktisch bedeutet das, dass Just Gay Germany gezwungen wäre, Frauen aufzunehmen, die sich zum Mann erklären.
Weitere Ursachen für die gegenwärtige Situation
Vor nicht allzu langer Zeit wäre eine Organisation, die sich für die Bedürfnisse und Belange homosexueller Männer einsetzt, gefeiert worden. Aber diese Zeiten sind vorbei. Den Autor dieser Zeilen erreichen Anrufe von verzweifelten schwulen Männern, die faktisch aus allem ausgestoßen werden, weil sie queere Politik kritisieren und sich pro Just Gay äußern. Jede Debatte wird schon im Keim erstickt. Wer sich nicht belehren lässt, muss gehen. Auch staatliche Stellen grenzen Just Gay Germany mit der Begründung aus, wir seien exklusiv und hätten problematische Einstellungen zum Thema Geschlecht.
Dass die Geschichte verfälscht und umgedeutet wird, gab es in der Vergangenheit leider immer wieder. So werden schon seit längerem die Geschehnisse um Stonewall (eine Reihe legendärer Proteste primär aus der Schwulenszene,
die im Juni 1969 in New York City stattfanden; Anm. d. Red.) falsch dargestellt, und es werden schlicht die Fakten ver-dreht. Ihnen wird gesagt, es seien nicht Schwule in der ersten Reihe gewesen, sondern Queere und Transmenschen.
Schwule Männer werden mit dieser Behauptung konfrontiert, um von ihnen mehr Dankbarkeit einzufordern. Doch das ist nicht nur unangebracht, sondern schlicht Geschichtsfälschung. Eine Erklärung, wie sich das alles durchsetzen konnte, ist unter anderem darin zu finden, dass über die letzten Jahre Millionen an Fördergeldern geflossen sind und sich queere Politik Stück für Stück in der Welt des Regenbogens durchsetzen konnte. Dass Aktivisten dies nutzen, um kritische Schwule vor die Tür zu setzen, kam für uns leider unvorbereitet.
Sind Queere alleine schuld an der Misere?
Sind jetzt ausschließlich Queere und ihre Politik schuld an dem ganzen Dilemma? Das wäre zu einfach, denn auch diese Gruppe ist nicht homogen. Sie sprechen genauso wenig für alle, wie wir für alle schwulen Männer sprechen. Es geht nicht um den queeren Menschen, sondern um Teile der Politik und die Entwicklungen daraus. So gibt es auch Queere, die sich kritisch äußern und es absolut unangemessen finden, wie mit schwulen Männern und Frauen umgegangen wird. Auch sie betrachten die genannten Entwicklungen mit großer Sorge.
Eine Fehlentwicklung begann bereits nach der „Ehe für alle“. Ehrenämter wurden aufgegeben; diese schienen nicht mehr nötig zu sein. Wir wollten und konnten nicht sehen, dass Queer und Gender als politische Kraft sich mehr und mehr durchsetzen und etablierte Strukturen für sich nutzen werden. Ein weiteres Problem ist, dass es in Deutschland
nie eine klare Definition von Geschlecht gab. Das biologische Geschlecht des Mannes war so selbstverständlich, dass
es keinen Grund gab, dies in Frage zu stellen.
Wir hätten jedoch sehen müssen und frühzeitig intervenieren sollen, als zunehmend offensichtlich wurde, dass die Identität nun maßgeblich wird und nicht das Geschlecht, wie wir es definieren. Es hätten die Alarmsirenen heulen müssen, als Begriffe wie „sexuelle Identität“ und „Geschlechtsidentität“ etabliert wurden und das Selbstbestimmungs-gesetz in die Diskussion kam. Für viele von uns war schlicht nicht absehbar, was das bedeutet und welche Konsequen-zen das alles haben würde.
Was sind die Konsequenzen daraus?
Schwule Männer zu zwingen, Frauen als schwule Männer anzuerkennen, wenn sie sich als solche definieren, ist nichts anderes als Entwürdigung. Diese mit Vielfalt und Toleranz zu rechtfertigen, ist perfide. Es geht offensichtlich um nichts anderes als die Durchsetzung eigener politischer Ziele. Das beginnt bereits bei der Sprache. Wer schwule Männer durch moralische Verurteilung und Bußgelder zur Verwendung einer Sprache zwingt, die Frauen als schwule Männer aner-kennt, handelt nicht nur schwulenfeindlich, sondern befürwortet in der Konsequenz die Konversion von schwulen Männern.
Früher war nicht alles besser, aber wenigstens gab es den Grundsatz, die Grenzen anderer zu respektieren. Eine elemen-tare Frage stellt sich nun: Müssen Organisationen wie Just Gay Germany tatsächlich um ihre elementaren Rechte wieder betteln und sich dafür rechtfertigen, eine Organisation zu sein, die ausschließlich schwulen Männern nach deren Defi-nition offensteht? Just Gay Germany sagt nein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir den Beginn einer Entrechtung sowie die Kriminalisierung schwuler Männer sehen. Die toxische Stimmung, die Fördergeldpolitik, die immer größer werdende Unsicherheit und das Ver-lieren der Schutzräume bedeuten die völlige Zerstörung schwulen Lebens. Es ist daher dringend erforderlich, sich zu widersetzen und anderen Grenzen zu setzen. Und ja, immer mehr Gruppen, basierend auf Sex, gründen sich auf der ganzen Welt. Mutige Frauen und nun auch immer mehr Homosexuelle begehren auf und distanzieren sich klar von queerer Politik. Auch stehen uns vermehrt Heterosexuelle bei.
Weltweit wächst die Gegenbewegung
Es erreicht mich die Nachricht, dass sich eine weitere LGB-Gruppe in den USA und in Irland gegründet hat, mit dem deutlichen Hinweis, dass TQ ausgeschlossen werden – und mit einer klaren Distanzierung von queerer Politik. Es
scheint, als würde alles kaputtgehen, und neben der Polarisierung wird die Spaltung immer weiter vorangetrieben.
Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen, aber für die Zukunft können wir vieles besser machen. Zum Beispiel sollten wir nicht mehr so naiv sein und darauf vertrauen, dass alles selbstverständlich ist und bleibt.
Der neuen Regierung ist derweil dringend zu raten, Lösungen zu finden und bei der angekündigten Evaluation alle Seiten an einen Tisch zu bekommen. Der Autor dieser Zeilen ist am Ende angekommen und erhält die Nachricht,
dass es in der zukünftigen Regierung einen weiblichen Queer-Beauftragten unter neuer Amtsbezeichnung geben wird. Es sind schöne Worte wie „Sensibilisierung“ und „Brücken bauen“ zu hören. Der ehemalige Queer-Beauftragte applau-diert, und politische Vertreter mit der progressiven Flagge im Hintergrund zeigen sich begeistert. Kein gutes Zeichen.
https://www.cicero.de/kultur/queerer-aktivismus-uber-die-zerstorung-schwulen-lebens
Wenn Frau-Sein zur Gefühlsfrage wird,
können wir uns nicht mehr für Frauenrechte einsetzen
Zehn Jahre lang war Faika El-Nagashi als Politikerin der österreichischen Grünen aktiv. Doch wegen ihrer Positionen als lesbische Feministin in der Trans-Debatte gelangte sie ins Fadenkreuz queerer Aktivisten. Hier erklärt sie, warum sie jetzt aus der Partei austritt.
FAIKA EL-NAGASHI am 12. Juni 2025 im CICERO-Online
Zehn Jahre lang war ich für die Grünen in der Politik – zuerst als Bezirksrätin, dann als Wiener Landtagsabgeordnete
und von 2019 bis 2024 als Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat. Nun habe ich meinen Austritt aus der Partei bekanntgegeben. Es war keine leichte Entscheidung, aber Ergebnis der Abkehr der Partei von den Grundhaltungen,
die mich ursprünglich zu ihr brachten: Demokratie, Pluralismus, Feminismus.
Ich war schon seit meiner Jugend politisch engagiert, unter anderem in europäischen Jugendorganisationen zu Minderheiten- und Menschenrechten, insbesondere denen von LGBT-Personen. Vor meinem Parteieintritt habe ich fünfzehn Jahre lang in zivilgesellschaftlichen Organisationen gearbeitet – mit Migrantinnen und Geflüchteten, mit Frauen in der Sexindustrie, in der HIV-Prävention, im Antirassismus, in der Entwicklungszusammenarbeit und im Bildungsbereich.
Zu den Grünen bin ich, wie viele, wegen ihres menschenrechtlichen Standbeins gekommen. Geblieben bin ich für die Möglichkeit, Politik mitzugestalten und zu verändern. Und wegen vieler persönlicher Beziehungen und Freundschaften, die von gegenseitigem Interesse, Wertschätzung und Engagement in der gemeinsamen Sache getragen waren.
Frau-Sein als Beliebigkeit
Angriffe von rechter und konservativer Seite war ich gewohnt. Ich habe auch schnell gelernt, dass es innerhalb der eigenen Partei Feindseligkeiten gibt. Konkurrenz und Macht sind zentrale Säulen in wahrscheinlich jedem Parteisystem. Bis auf einige interne Unruhen blieb meine politische Arbeit davon jedoch weitgehend unberührt. Dies änderte sich schlagartig, als ich vor drei Jahren – nunmehr als Nationalratsabgeordnete – begann, mich öffentlich zu der Thematik rund um Geschlechtsidentität, kurz: das Trans-Thema, zu äußern. Ich versuchte, mit recht moderaten Worten, darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns nicht mehr für Frauenrechte einsetzen können, wenn das Frau-Sein zu einer Beliebigkeit oder einer „gefühlten Identität“ wird.
Dass der Zuwachs an Kindern und Jugendlichen, die sich als trans identifizieren, uns zu denken geben sollte – vor allem in Bezug auf ihre Behandlung und Begleitung. Dass Pubertätsblocker nicht einfach nur eine Pausetaste sind und die Pubertät nicht nach Belieben vor- oder zurückgespult werden kann. Dass viele lesbische oder schwule Jugendliche mit ihrem Anderssein hadern und Social Media, ihre Peer-Gruppe und eine neue Generation von Celebs ihnen erzählen, dass sie „brave and beautiful“ sind, wenn sie das „bei der Geburt zugewiesene Geschlecht“ verlassen. Dass es grenz-überschreitend ist gegenüber Lesben, von ihnen zu verlangen, sich heterosexuelle Männer als Teil ihres Datingpools
zu imaginieren – auch wenn diese sagen, dass sie Frauen seien. Dass Sicherheit, Schutz und Fairness für Mädchen und Frauen Beachtung verdienen. Und dass wir über all das offen und kontrovers reden können müssen, da wir sonst Dogmatismus und nicht Demokratie leben.
Was mir als Selbstverständlichkeit erschien – als feministische Politikerin öffentlich über eine mir aktivistisch und akademisch vertraute Thematik zu sprechen, die sich in den letzten Jahren stark verändert und aufgeladen hat –,
war aber ein derartiger Tabubruch, dass eine Welt über mir zusammenbrach.
Munkeln, Distanzieren, Isolieren
Ich kannte die Mechanismen in Grundzügen von früheren politischen Angriffen, aber die Tiefe und Weite dessen, was ich in den darauffolgenden Wochen, Monaten und Jahren erlebte, kann man niemandem beschreiben, der oder die nicht selbst durch dieses Fegefeuer gegangen ist. Online-Shitstorms, Aufforderungen nach Parteiausschluss und Mandatsentzug, ein Offener Brief gegen mich, unterschrieben von Politikerinnen und Aktivistinnen, mediale Hit-Pieces, Diffamierungen als rechts, Distanzierungen durch langjährige persönliche und politische Weggefährten. Ausladungen aus Publikationen und Veranstaltungen, Droh-E-Mails, öffentlicher Pranger. Munkeln, Distanzieren, Isolieren. Im besten Fall: ein unbeholfenes Lächeln und Schulterzucken. Die Kreise zogen sich bis in mein persönliches Umfeld. Rückblickend weiß ich nicht, wie ich diese Zeit des vollumfänglichen Rufmordes hinter mich gebracht habe.
Vieles davon – bei Weitem nicht alles – trug sich innerhalb meiner eigenen Partei zu. Oder wurde dort von Personen
und Parteiteilen vorangetrieben. Grüne Parteikolleginnen und SPÖ-Politikerinnen, mit denen ich jahrelang zusammen-gearbeitet hatte, unterschrieben den offenen Brief gegen mich. Ich wurde intern mehrfach vorgeladen, erhielt Stand-pauken und Belehrungen. Mein Parlamentsklub warf mir Nähe zur Rechten vor. Es wurden Dossiers über meine Arbeit erstellt – etwa um die „faschistische Kontinuität“ eines Mediums zu belegen, in dem ich publiziert hatte; oder eine Veranstaltung unter rechtsextremen Verdacht zu stellen. In einem Social-Media-Posting eines trans identifizierten Mannes – Vorstandsmitglied einer Wiener Frauenorganisation – wurde ich „aus Spaß“ symbolisch aus dem Nationalrat verdrängt.
Auch nach meinem Ausscheiden aus der Politik im Herbst 2024 hörten die Anfeindungen nicht auf. Anfang des Jahres verlangten die Grünen Studierenden von ihrer Mutterpartei, den „TERFs“ (eine abwertende Bezeichnung für Feminis-tinnen) in der Partei (namentlich mir und einer weiteren Kollegin) den „letzten Stoß zu versetzen“. Diese aus dem Vokabular der nationalsozialistischen Propaganda stammende Formulierung wurde später zwar gelöscht, die Forde-rung, uns „aus der Partei zu kehren“, ist immer noch online. Und auf einer Landesversammlung wetterte der erwähnte trans identifizierte Mann gegen mich und meine Kollegin, nannte uns „menschenfeindlich“ und „grauslich“ – vor Beifall klatschendem Publikum.
Weder Parteigremien noch Führung haben sich in all diesen Fällen vom anhaltenden Mobbing und der öffentlichen Diffamierung distanziert. Im Frühjahr folgte schließlich eine weitere und letzte Eskalation in Form eines Ausschluss-antrags gegen mich und eine Kollegin. Die Partei musste und würde nun entscheiden und Position beziehen. Der Vorwurf (abermals durch den trans identifizierten Mann in den Raum gestellt): Verstoß gegen die Grünen Grundwerte Selbstbestimmung, Gewaltfreiheit und Solidarität.
Ein ideologisches Pamphlet
Nach einem internen Verfahren mit Stellungnahmen und Vorladung wurde mir kürzlich die Entscheidung mitgeteilt.
Ich wurde nicht ausgeschlossen – meine Kollegin hingegen schon. Die „salomonische“ Logik der Partei ist nachvoll-ziehbar, auch wenn wir der gleichen Vergehen beschuldigt wurden: High-Profile-Politikerin vs. Low-Profile-Aktivistin, publizistische Plattform vs. keine Öffentlichkeit, Komplexität vs. Direktheit in der Ausdrucksweise. Dieses Vorgehen ermöglicht es der Partei, scheinbar den Spagat zu schaffen – einerseits für Pluralismus einzustehen, andererseits ein Exempel zu statuieren.
Die Begründung zum Beschluss legt wert darauf, festzuhalten, dass sich meine inhaltlichen Positionen von denen des Grünen Grundsatzprogramms entfernt hätten: „Auch wenn keine Verstöße gegen die Grundwerte (…) festgestellt werden, kann eine Entfremdung festgestellt werden.“ Dies ist wohl richtig und angesichts aktueller Vorstöße der Partei nunmehr unüberwindbar. Parlamentarische Anträge der Grünen drängen auf ein Verbot sogenannter Konversions-therapien, das jede therapeutische Begleitung kriminalisieren würde, die nicht ausdrücklich darauf abzielt, die „selbst-empfundene geschlechtliche Identität“ von Kindern und Jugendlichen bis 21 Jahren „zum Ausdruck zu bringen“ oder zu „unterstützen“. Im Antrag ist weiter von einem „von cisgender abweichenden Empfinden“ und einer „institutionellen/strukturellen cis-het-Normativität“ die Rede.
Es ist ein ideologisches Pamphlet, das die Diagnosestellung de facto den betroffenen Jugendlichen selbst überträgt:
Ihre jeweilige Selbstdiagnose muss bestätigt werden – auch wenn zahlreiche Studien inzwischen belegen, dass ein Großteil der heute trans-identifizierten Jugendlichen lesbische Mädchen oder schwule Jungs sind. Gerade sie in einer Trans-Identität zu bestätigen, käme dem Versuch gleich, Homosexualität zu „therapieren“ – also genau das zu tun,
was das Gesetz angeblich unterbinden will. Gleichzeitig soll die „Begleitung oder Feststellung der Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen bei Genderinkongruenz“ (sprich: Hormone, Brustamputationen und andere irreversible Eingriffe) ausdrücklich erlaubt bleiben.
Steuerungsinstrument zur ideologischen Gleichschaltung
Doch nicht nur mit der unkritischen Übernahme queer-aktivistischer Forderungen ins grüne Parteiprogramm wurde
der Bogen überspannt. Demnächst soll auf der Landesversammlung der Wiener Grünen ein Code of Conduct verab-schiedet werden – ein Regel- und Sanktionswerk, das für alle gelten soll: Mitglieder mit oder ohne Funktion, Ehrenamtliche sowie extern Beauftragte. Ziel sei es, Gewalt, Belästigung und Diskriminierung zu bekämpfen.
Doch darunter fällt künftig auch „epistemische Gewalt“ – also Gewalt, die sich „in Wissen und Sprache verbirgt“, etwa durch die Ablehnung gendergerechter Sprache. Ebenso würden darunter wohl die „falsche“ Verwendung von Pronomen oder Mikroaggressionen fallen: durch „verursachende Personen“, die „direkt oder indirekt eine schädliche oder proble-matische Situation herbei(führen), ohne notwendigerweise absichtlich zu handeln“. Anonyme Meldungen werden institutionalisiert und eine Awareness-Kommission eingerichtet, deren Sanktionen von Funktionsverboten über Umerziehungsmaßnahmen bis zum Parteiausschluss reichen. Ein Steuerungsinstrument zur ideologischen Gleichschaltung.
Die designierte Grünen-Chefin Leonore Gewessler erklärte in Interviews anlässlich ihrer Kandidatur, in der Frauenpolitik müsse die „eigenständige Entscheidung, wie viel man arbeite, mindestens genauso viel Platz haben wie Pronomen“. Dabei stellt sich allerdings die Frage, warum Pronomen überhaupt erst so viel Raum einnehmen konnten. Eine Kurskorrektur ist nicht in Sicht. Ich würde sie den Grünen, wenn auch jetzt zum Abschied, wünschen.
https://www.cicero.de/aussenpolitik/faika-el-nagashi-tritt-bei-den-osterreichischen-grunen-aus-trans
Queers for Palestine
Allianz mit dem islamischen Patriarchat
Trans-Aktivismus und der woke Queer-Feminismus à la Judith Butler fördern nicht nur neue Schwulen- und Frauenfeindlichkeit – sie zeigen auch offene Sympathien für Islamismus und Hamas. Antisemitismus dient
als ideologischer Kitt.
MORITZ PIECZEWSKI-FREIMUTH am 4. August 2025 im CICERO-ONLINE
Juni war Pride-Month. In nahezu jeder deutschen Großstadt – oder zumindest in jeder Universitätsstadt – zogen Christopher-Street-Day-Paraden durch die Straßen. Ein hedonistisches Get-together der LGBTQ-Szene, bei dem,
wenn es politisch wird, selten der Elefant im Raum benannt wurde: der Islamismus als größte Bedrohung für
LGBTQ-Personen.
Besonders absurd erscheint die Bewegung „Queers for Palestine“, die sich ausgerechnet mit einer Region solidarisiert, in der LGBTQ-Personen keinen Tag ungestraft überleben können. Spöttisch als „Chicken for KFC“, also der Identifikation mit dem Aggressor, etikettiert, bleibt eine tiefere Auseinandersetzung meist aus.
Der sollte auch zum Feminismus schweigen
Ziel des Terroranschlags der Hamas vom 7. Oktober 2023 war es, möglichst viele Juden zu töten oder sie als Geiseln in den Gazastreifen zu verschleppen. Beides begleitet von bestialischen Sexualverbrechen: Vergewaltigungen an lebenden wie toten Körpern, an Frauen und Kindern, teils vor den Augen von Angehörigen. Viele Opfer wurden verstümmelt und verbrannt. Sadismus der übelsten Sorte.
Mit der systematischen sexuellen Gewalt an israelischen Frauen sollte die Libertinage als vermeintlich „jüdisches
Prinzip“ vernichtet werden. „Frauen als Frauen“ gerieten auf dem Supernova-Festival gezielt ins Kreuzfeuer – weil sie tanzten, was gegen das im Koran verbriefte Verbot des „Beineschwingens“ spricht. Das islamistische Motto: Ihr liebt
das Leben, wir lieben den Tod.
Die Terroristen filmten ihre Gräueltaten mit GoPros, verbreiteten sie live oder als Propaganda im Netz – eine strate-gische Kriegsführung zur Normalisierung von Gewalt gegen Juden und insbesondere gegen jüdische Frauen. Hamas-Schergen präsentierten auf Pickup-Trucks in den Gazastreifen verschleppte misshandelte Frauen mit Blutspuren im Intimbereich als „Kriegstrophäen“. So sollte „Stolz“ demonstriert und durch die „Propaganda der Tat“ zur Nachahmung angestachelt werden.
Empirie spricht gegen Palästina-Solidarität
Die Rechte von LGBTQ-Personen sind im Gazastreifen massiv bedroht. Homosexualität ist illegal und wird strafrechtlich wie gesellschaftlich verfolgt. Die regierende Hamas betrachtet LGBTQ-Identitäten als unvereinbar mit ihren religiösen Werten. Laut dem ILGA-Report (2019) können gleichgeschlechtliche Beziehungen in Gaza mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
Auch im Westjordanland kriminalisiert das Strafgesetzbuch einvernehmliche homosexuelle Handlungen mit bis zu
fünf Jahren Gefängnis. Nur fünf Prozent der Palästinenser im Westjordanland befürworten laut Arab Barometer (2019) gesellschaftliche Toleranz gegenüber Homosexualität – der niedrigste Wert im arabischen Raum. Die palästinensischen Gebiete belegen dem Williams Institute zufolge Platz 130 von 175 hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz von LGBTQ-Personen.
Im traditionellen Islam gilt Homosexualität als Sünde und absolutes Tabu. Gleichgeschlechtliches Begehren wird oft als Krankheit, Besessenheit oder „Unmännlichkeit“ gedeutet. Laut dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland verfolgen 66 Staaten Homosexualität strafrechtlich, in zwölf droht die Todesstrafe. Viele dieser Länder sind muslimisch geprägt oder haben Teile der Scharia im Rechtssystem implementiert. Wo der Staat nicht straft, übernehmen häufig Familien diese Rolle, indem sie homosexuelle Angehörige verfolgen oder wegen „Schande“ verstoßen.
Im Gegensatz zur bedrückenden Situation von LGBTQ-Menschen in vielen muslimisch geprägten Ländern zeigt sich
in Israel eine andere Entwicklung. LGBTQ-Personen in Israel genießen umfassende Rechte: Sie sind vor Diskriminierung geschützt, dürfen offen im Militär dienen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden anerkannt, inklusive Adop-tionsrecht, Erbrecht, uvm. Derzeit leben mindestens 90 nicht-heterosexuelle Palästinenser mit Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis in Israel.
Wirklichkeitsverdrehung à la Judith Butler
Wie aber reagieren die Köpfe der Gender-Ideologie auf diese Lage? Die Realität ignorieren, um die Ideologie zu retten, scheint die Devise. Letztes Jahr stellte die Begründerin der Queer Theory, Judith Butler, ihr neues Buch „Who’s Afraid of Gender“ vor. Dabei bezeichnete sie es als eine „Karikatur, dass Frauen, Schwule, Lesben und Trans-Personen in Palästina nicht frei und offen leben“ können.
In einem Auftritt bei einer französischen Talkshow nach dem 7. Oktober, anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2024, bemerkte Butler: „Der Aufstand vom 7. Oktober war ein Akt des bewaffneten Widerstands […] Das war ein Aufstand.“ Auch äußerte sie Zweifel, „ob es nun Belege für die Behauptungen über die Vergewaltigung israelischer Frauen gibt oder nicht (skeptischer Blick). OK, wenn es Belege gibt, dann bedauern wir das, aber wir wollen diese Belege sehen.“
Das feministische Konzept der Definitionsmacht, nach dem betroffenen Frauen grundsätzlich Gehör und Glauben geschenkt werden soll, gilt offenbar nicht bei israelischen oder jüdischen Opfern.
Kein Wunder: Bereits 2006 erklärte Butler Hamas und Hisbollah zu „sozialen Bewegungen, die progressiv sind, die
links stehen, die Teil einer globalen Linken sind“. Neben dem antisemitischen Terror kann Butler auch der Sexual-
moral des Islam etwas abgewinnen: Im Essayband „Gefährdetes Leben“ titulierte sie den Schleier affirmativ als
„Übung in Bescheidenheit und Stolz“, als Ausdruck „weiblicher Handlungsfähigkeit“ und klagte eine „kultur-imperialistische Ausbeutung des Feminismus“ an, wenn islamisch legitimierte misogyne Gewalt kritisiert wird.
Eine weitere einflussreiche Vertreterin der These einer angeblich rassistischen Vereinnahmung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und ihrer Verknüpfung mit Israelhass ist die amerikanische Professorin Jasbir K. Puar. Sie prägte den Begriff „Homonationalismus“, um angesichts der Liberalisierung von Geschlechterrollen eine Verquickung von Sexualität und Queerness mit nationalen oder imperialen Interessen in liberalen Demokratien kritisch zu erfassen. Es gelte nicht mehr nur die imperialistische Annahme „white men are saving brown women“, sondern inzwischen auch in der Dar-stellung des Westens als Schwulen-Eldorado – nun in der aktualisierten Losung: „white men saving gay men from
muslim men“.
Als „pioneer of homonationalism“ stigmatisiert Puar Israel, den einzigen safe space für Homosexuelle im Nahen Osten.
Sie identifiziert dort „Siedlerkolonialismus, Besatzung und neoliberale Beschwichtigungspolitik“ als Nährboden für
„die Normalisierung von Homosexualität durch Nationenbildung“. Hier kommt der Begriff „Pinkwashing“ ins Spiel.
Puar verwendet den Begriff als Vorwurf, Israel instrumentalisiere seine progressive LGBTQ-Politik, um „siedler-
koloniale“ Praktiken zu rechtfertigen und zu verschleiern. Verweise auf LGBTQ-Rechte in Israel sollten schlicht
Legitimität für Militäroperationen „erkaufen“.
Poststrukturalistin mimt Ahmadinedschad
Puar meint auch, dass LGBTQ-Personen und ihr Bedürfnis nach rechtlicher Gleichstellung im Nahen Osten gar nicht existieren. Deren Definition von Sexualität sei eine „subtilere, nicht-westliche sogenannte Assemblage“. Kulturrelativmus auf akademischem Niveau. Gemeinsam mit dem postkolonialen Autor Joseph Massad behauptet sie, der Westen würde die muslimische Welt einem abstrakten Monster der „gay international“ unterjochen. Ahmadinedschad, ehemaliger iranischer Präsident, behauptete 2007 an der Columbia-Universität: „Im Iran gibt es keine Homosexuellen.“
Vergleichbares äußert Puar
Tatsächlich ergreift Puar in ihrem Werk „Terrorist Assemblages“ auch konkret Partei für Dschihadisten, die wahrhaftig homo-, bi- oder transsexuelles Leben bedrohen. Sie konstatiert: Damals waren es queere Menschen, die in westlichen Gesellschaften als sexuell deviant, pervers, den „Volkstod“ provozierend galten, heute würde der muslimische Mann
zum Albtraum sexueller Abweichung und Bedrohung erklärt werden. Die Speerspitze sei ein dschihadistischer Selbstmordattentäter, der durch die „Auflösung körperlicher Grenzen [und] das erotische ballistische Ereignis des
Todes“ westliche Identitätskonstruktionen zerstört. Puar verklärt das suizidale Massaker zur Performance queerer Subversion.
Schulterschluss von Queerfeminismus und Islamismus
Die genannten Stichwortgeberinnen sagen also unmissverständlich, was sie dem islamistischen Terror abgewinnen. Nicht jeder Queeraktivist for Palestine kennt ihre Texte. Es sind darüber hinaus etliche eingesickerte Selbstgewissheiten des Genderparadigmas und der Transideologie, die dem rigiden Islam – bewusst oder unbewusst – die Hand reichen.
Den Anfang macht die Schiefheilung durch Begriffe wie „Genderidentität“ oder „nonbinary“: Queere Menschen argu-mentieren meist ex negativo, dass sie sich „nie ganz als Frau“ oder „als Mann“ definiert haben. Damit begründen sie
ihre Abweichung von der jeweiligen Geschlechtsidentität oder untermauern ihre Hinwendung zu dieser im Sinne einer Transition zum Transmann oder zur Transfrau. Suggeriert wird somit, dass sogenannte Cis-Frauen oder Cis-Männer immer und zu jeder Zeit eine vollständige Einheit von innerer, äußerer, sozialer und biologischer Geschlechtlichkeit erleben.
„Jahrhunderte der Familienzwänge, der Zwangsheirat, der erzwungenen Schwangerschaft, der Verbannung in die Küche, also Jahrhunderte der Passivierung, [entsprächen] eigentlich bruchlos der Identität dieser Frauen“, so die Politikwissenschaftlerin Chantalle El Helou. Wenn queere Menschen sich darüber hinaus als non-binär empfinden, impliziert dies folglich, dass die äußeren Pole „binär Mann“ und „binär Frau“ grundsätzlich als starr, eindeutig und traditionell zementiert gelten. Mit der Forderung nach kongruenter „Identität“ verfestigt sich ein reaktionäres Geschlechterbild, das traditionelle Rollenmuster nicht aufbricht, sondern subtil stützt und konserviert. Die inneren Nuancen von Geschlechtlichkeit werden somit negiert.
Besonders gravierend ist die queerfeministische „Entkörperung“, die Geschlechterfragen zunehmend von biologischen Gegebenheiten entkoppelt. In radikaler Form nivelliert Gender das biologische Geschlecht vollständig und reduziert Geschlechtlichkeit auf eine reine Sozialkonstruktion. Dabei wird übersehen, dass viele geschlechtsspezifische Benach-teiligungen – etwa weibliche Genitalverstümmelung, Vergewaltigung, Doppelbelastung oder Wettbewerbsnachteile im Sport – gerade aus der biologischen Differenz resultieren.
Homophobie und Frauenfeindlichkeit unter der Transflagge
In extremen Ausprägungen des Queerfeminismus geraten Homosexuelle zunehmend unter Rechtfertigungsdruck.
Der Vorwurf: Ihr Begehren richte sich exklusiv auf bestimmte primäre Geschlechtsmerkmale – sofern diese aus queer-feministischer Sicht überhaupt existieren. „TERFS can suck my trans dick“, wie auf einem Plakat des Berliner CSD 2023
zu lesen war, markiert den Gipfel von Homophobie und Vergewaltigungsandrohung unter der Maskerade des Queer-feminismus.
Die Aussage „sex matters“ würde Judith Butler nicht unterschreiben. Sie konstatiert: „Die Begriffe Mann und männlich können (...) ebenso einfach einen männlichen und einen weiblichen Körper bezeichnen wie umgekehrt die Kategorien Frau und weiblich.“ Diese Perspektive blendet den objektbezogenen Charakter sexueller Orientierung aus – besonders problematisch für Homosexuelle, die lange für ihr gleichgeschlechtliches Begehren kämpfen mussten.
Verschwindet das politische Subjekt „Frau“ als Anachronismus, droht auch der Verlust seiner Errungenschaften. Mani-festationen wie Unisex-Toiletten, Akronyme wie FLINTA oder die Zulassung biologischer Männer im Frauensport zeigen eine Verdrängung von Frauen im Namen der „kulturellen Aneignung“ des „Frau-Seins“. Bemerkenswert ist, dass Trans-frauen zunehmend Zugang zu geschützten Räumen wie Frauengefängnissen oder Damensaunen erhalten – ein Vorgang, der als Fortschreibung männlicher Raumnahme im progressiven Gewand kritisiert wird. Das Brustbügeln – eine „harmful traditional practice“ aus West- und Zentralafrika – und das Binding, heute Teil mancher weiblich-männ-licher Transition, eint die Feindseligkeit gegenüber dem weiblichen Körper und das Kaschieren seiner Silhouetten.
Ein Präventionsprogramm gegen Homosexualität
Der Kurzschluss, Sex und Gender gleichzusetzen, eröffnet Räume für folgenschwere Phänomene wie „transing gays“ oder „transing kids with identity crises“. Der Jugendpsychiater Alexander Korte sieht im Transaktivismus gar ein Prä-ventionsprogramm gegen Homosexualität. Transitionen von maskulin wirkenden Lesben zu Transmännern oder feminin wirkenden Schwulen zu Transfrauen reihen diese wieder in die heteronormative Matrix ein.
Alice Schwarzer verweist außerdem auf Studien, wonach mehr Mädchen als Jungen den Eindruck haben, „im falschen Körper“ zu leben, und geschlechtsangleichende Operationen anstreben. Ohne Diagnose von Geschlechtsdysphorie
und vor Abschluss der Adoleszenz kann die Option „Trans“ unangepassten Mädchen vorschnell suggerieren: „Ihr braucht nur den Körper, der zu eurem seelischen Befinden passt.“
Solche Prozesse ähneln Trans-Erscheinungen in patriarchalen Kulturen Asiens, Europas, Afrikas und Ozeaniens.
Susanne Schröter nennt Beispiele wie „xanith im Oman, hijras in Indien und Pakistan, kathoey in Thailand, mahu auf Tahiti, fa’afafine auf Samoa, tobelija in Albanien, igba ohu in Nigeria, travestis in Brasilien oder nadleehe bei den Zuni“. Ergänzen lässt sich die Islamische Republik Iran, die geschlechtsangleichende Operationen gezielt fördert.
In islamischen Gesellschaften stehen diese Praktiken oft nicht für Anerkennung von Transidentität, sondern für Homophobie und rigide Geschlechtertrennung. Schröter resümiert, die Transition biete dort einen Ausweg aus homophober Verfolgung – teils die einzige Möglichkeit, mit dem Partner oder der Partnerin zusammenzuleben –
und diene letztlich der Stabilisierung heterosexueller Konformität.
Befreiung von der Sexualität
Eine Schlüsselrolle in dem Verhältnis des (Queer-)Feminismus zum Islam spielt auch die Verklärung des Kopftuchs zum feministischen Symbol und zur empowernden Praxis. Der Exotinnenstatus sogenannter Hijabis wird von postkolonial gestimmten Queerfeministinnen als besondere Diversität gefeiert und die Abkehr von Schönheitsidealen als Akt feministischer Befreiung gehandelt. Statt sexueller Befreiung findet eine Befreiung von der Sexualität statt. Um den Anforderungen des Sexus im Selbstverwirklichungswettbewerb zu entfliehen, begnügen sich sogenannte islamische Feministinnen mit der „Freiheit unter dem Schleier“ – frei nach Khola Maryam Hübsch (2014).
Unentwegt kritisiert der Autor Magnus Klaue die kontraproduktive Wirkung von Maßnahmen gegen zunehmende Sexualverbrechen im öffentlichen Raum, bei denen muslimische Migranten überdurchschnittlich als Täter auftreten. Statt das Problem direkt anzugehen, werde mit Umgangsvorschriften, Symbolpolitik und Geschlechtertrennung reagiert. Dieser Antisexismus, so Klaue, gleiche sich der restriktiven islamischen Sexualmoral an.
Er thematisiert sogenannte Awareness-Teams, die prinzipiell jede Annäherung zwischen den Geschlechtern regle-mentieren können, sowie einen queerfeministischen Empörungseifer, der die Zurschaustellung weiblicher Körper auf Werbetafeln pauschal mit der „Sexismuskeule“ attackiert. Dies könnte zu einer sakralisierten Wahrnehmung des weiblichen Körpers führen und einen neuen Puritanismus einläuten, der an islamische Verhältnisse erinnert.
In dasselbe Muster fallen weit geschnittene „Subway-Shirts“ für Frauen als Schutz vor sexueller Belästigung sowie die Einrichtung von Frauenabteilen in U-Bahnen als Reaktion auf den Anstieg von Sexualdelikten im ÖPNV – letzteres ein Vorschlag der Berliner Grünen im November 2024.
Woker Feminismus verrät Frauen, Juden und Homosexuelle
Als nach dem 7. Oktober 2023 Berichte über sexualisierte Gewalt der Hamas und die Verfolgung queerer Palästinenser in Gaza bekannt wurden, konfrontierten Kommentatoren die queere Palästinasolidaritätsszene mit zynischen „Chicken for KFC“-Memes. Dass ausgerechnet progressive Gender-Theorien mit der reaktionären Sexualmoral islamistischer Regime sympathisieren, ist kein Zufall. Beide eint ein autoritäres Bedürfnis nach geschlechtlicher „Eindeutigkeit“, die Aushöhlung von Frauenrechten zugunsten identitätspolitischer Dogmen und ein tiefsitzendes Unbehagen an Homo-sexualität.
Warum auch Queers in den Palästinensergebieten unterstützen, wenn Homosexualität ohnehin nur eine westliche Erfindung ist? Warum Solidarität mit misshandelten israelischen Frauen zeigen, wenn man bereits Schwierigkeiten hat, überhaupt zu definieren, was eine Frau ist, und es sich beim 7. Oktober entweder um eine Propagandalüge oder schlicht um „legitimen Widerstand“ handelt?
Moritz Pieczewski-Freimuth ist Erziehungswissenschaftler (M.A.) und Sozialarbeiter (B.A.) in Köln. Zur Zeit ist er als Pädagoge für Gewaltschutz im Migrationsbereich tätig. Außerdem engagiert er sich in gesellschaftlichen Debatten rund um die Themen Antisemitismus, politischer Islam, patriarchale Strukturen und Migration.
https://www.cicero.de/kultur/queers-for-palestine-allianz-mit-dem-islamischen-patriarchat