Typen der Komplementarität
1. Reale Komplementarität (wechselseitige Ergänzung von Entitäten)
Natur: Männer und Frauen, männliche und weibliche Lebewesen
Technik: Schlüssel und Schloss, Muttern und Schrauben
2. Semantische Komplementarität (Bedeutung vs. Referenz bzw. Intension vs. Extension)
Abendstern und Morgenstern
3. Logische Äquivalenz ist keine Komplementarität.
(p & q) <=> (q & p)
4. Algebraische Gleichheit ist keine Komplementarität.
(5 + 4) = (4 + 5)
5. Geometrische Komplementarität
Zwei gleichschenkelige und gleichförmige Dreiecke lassen sich zu einem Rechteck oder Quadrat zusammensetzen.
Zwei gleich große Halbkreise vom selben Durchmesser lassen sich zu einem ganzen Kreis zusammensetzen.
Zwei Tropfenformen lassen sich zu einem Kreis zusammensetzen. Ying und Yang.
6. Epistemische Komplementarität
Licht als Wellen und als Teilchen in der modernen Physik
7. Komplementarität in der Quantenphysik
Was bedeutet "Verschränkung"?
Von 'Verschränkung' spricht man (nach Wikipedia) in der Quantenphysik, wenn ein komplexes physikalisches System, wie z. B. ein System mehrerer Teilchen als ein Ganzes betrachtet irgendeinen wohldefinierten und messbaren Zustand einnimmt, ohne dass man auch jedem seiner Teilsysteme einen je eigenen wohldefinierten und messbaren Zustand zuordnen kann. In diesem Sinne handelt es sich jedoch nur um ein epistemisches und methodisches Phänomen, aus dem nicht ohne Weiteres ontologische oder gar metaphysische Konsequenzen gezogen werden können. Daher ist auch nicht ganz klar, ob es Verschränkung in diesem Sinne nur in der Quantenphysik oder auch in der klassischen Physik gibt.
"Im Bereich der klassischen Physik kann es dieses Phänomen nicht geben. Dort sind zusammengesetzte Systeme stets separabel, das heißt, jedes Teilsystem hat zu jeder Zeit einen bestimmten Zustand, der sein jeweiliges Verhalten be-stimmt, wobei die Gesamtheit der Zustände der einzelnen Teilsysteme und ihr Zusammenwirken vollständig erklären,
in welchem Zustand das Gesamtsystem ist und wie es sich verhält. In einem quantenphysikalisch verschränkten Zustand des Systems besitzen hingegen die Teilsysteme mehrere ihrer möglichen Zustände nebeneinander, wobei jedem dieser Zustände eines Teilsystems ein anderer Zustand der übrigen Teilsysteme zugeordnet ist. Um das Verhalten des Gesamt-systems richtig erklären zu können, muss man alle diese nebeneinander bestehenden Möglichkeiten zusammen be-trachten. Dennoch zeigt jedes Teilsystem, wenn eine Messung an ihm durchgeführt wird, immer nur eine dieser Möglichkeiten, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass gerade dieses Ergebnis auftritt, durch eine Wahrscheinlichkeits-verteilung bestimmt ist. Messergebnisse an mehreren verschränkten Teilsystemen sind miteinander korreliert, das heißt, je nach dem Ergebnis der Messung an einem Teilsystem liegt für die möglichen Messergebnisse an den anderen Teilsystemen eine veränderte Wahrscheinlichkeitsverteilung vor. Diese durch Quantenverschränkung erzeugten Kor-relationen werden auch als Quantenkorrelationen bezeichnet." (Wikipedia, Artikel: Quantenverschränkung)
Einige Physiker gehen davon aus, dass es sich bei dem quantenphysikalischen Phänomen der Verschränkung um eine Anomalie der Quantenphysik handelt, die in der klassischen Physik einfach nicht vorkommt. Andere Physiker, wie z.B. Hartmann Römer, u.a. behaupten hingegen, dass es sich eigentlich um ein systemtheoretisches Phänomen handelt, dass grundsätzlich für alle Systeme gilt und daher verallgemeinert werden kann.
Eine dritte Position, die ich selbst favorisiere, besteht darin, dass es sich zumindest vorläufig um eine Aporie handelt,
da es sich um ein epistemisches und methodisches Phänomen handelt, sodass aus ihm noch keine ontologischen oder gar metaphysischen Konsequenzen über "die endgültige Natur der Wirklichkeit" gezogen werden können. Das liegt vermutlich auch daran dass es in der derzeitigen Physik noch keine "grand unified theory" gibt, in der sowohl die Quantenphysik als auch die Relativitätstheorie vereint wären.
Phänomene der Verschränkung sind in der Psychologie und Soziologie hingegen der Normalfall. Sowohl Psychologen als auch Soziologen akzeptieren, dass ihre individuellen Probanden bzw. zu untersuchenden Gruppen, Schichten oder Gesellschaften in methodischer Hinsicht nicht ganz objektiv untersucht werden können, da sie selbst, die untersuchen-den Psychologen und Soziologen mit ihren Studienobjekten, d.h. ihren einzelnen Probanden bzw. ihren Gruppen, etc. interagieren müssen, wenn sie sie anamnetisch befragen, interviewen oder anderweitig untersuchen.
Ähnliches gilt für Anthropologen, Ethnologen oder Linguisten, die einen bisher unerforschten Stamm von Eingeborenen in einer afrikanischen Steppe oder in einem abgelegenen Amazonasgebiet erforschen wollen, um seine genetische Herkunft, seine Lebensweise oder auch seine Sprache zu studieren. Sie müssen diesen Stamm dafür kontaktieren und mit ihm eine vertrauliche Beziehung aufbauen, um ihn überhaupt studieren zu können. Aber gerade dadurch verändert sich schon das Verhalten seiner Mitglieder irreversibel und aufgrund der sozialen Interaktion ist eine methodische Ob-jektivität in einem strengen Sinne nicht mehr möglich.
Dies scheint in einem etwas schwächeren Sinn selbst für Biologen und Verhaltensforscher zu gelten, die etwa ein Rudel von Löwen oder Wölfen untersuchen oder in einem bestimmten Gebiet eine bestimmte Population erforschen wollen. Sobald die Löwen oder Wölfe sie wittern oder gar hören und sehen, reagieren sie mit ihrem artspezifischen Verhalten auf die Anwesenheit oder Nähe der Forschenden. Das Verhalten der Forschenden und ihrer Studienobjekte beginnt dann in einer Wechselwirkung zu stehen und als ein ganzes System betrachtet sind beide Teil-Systeme miteinander verschränkt. Die Verhaltensziele des Rudels, wie z.B. ihr Ziel gemeinsam zu jagen, kann sich verändern und die Ziele der Forschenden ebenfalls, da sie z.B. gerade die gemeinsame Jagd eines Rudels in der Wildnis erforschen wollten.
Dass sich Phänomene der Verschränkung nicht ganz kausal erklären lassen, ist jedoch weder verwunderlich noch ein-malig oder ungewöhnlich, denn das gilt auch für teleologische und intentionale Phänomene. Ob sich das zielgerichtete Verhalten von Tieren und Pflanzen und ob sich das intentionale Verhalten von Tieren und Menschen im Prinzip kausal erklären ließe, oder ob es sich um irreduzible emergente Phänomene handelt, ist nicht endgültig zu entscheiden, da man dazu über die absolute und unendliche All-Wissenheit Gottes (Omniszienz) verfügen müsste, um alle Faktoren bis
in die schier unendlich kleine Mikrowelt der Teilchen hinein und um alle Faktoren bis in die schier unendliche Weite und Tiefe der Makrowelt des Universums hinaus zu besitzen. Beides ist endlichen menschlichen Forschern hingegen einfach nicht möglich.
Wenn man jedoch, wie Hartmann Römer, u.a. die quantenphysikalische Verschränkung als allgemeingültiges system-theoretisches Phänomen versteht, dann hat es mit der Quantenphysik eigentlich nicht mehr viel zu tun. Denn dann sollte es für alle Systeme in der Physik wie in der Chemie und Biologie, in der Anthropologie, Ethnologie und Linguistik gelten sowie auch in der Psychologie und Soziologie.
Die sog. Verallgemeinerte Quantentheorie (VAQT) wäre dann keine quantenphysikalische Theorie mehr, sondern ein allgemeines systemtheoretisches Prinzip (STP), das in etwas das Folgende besagt:
Für jedes System S gilt, dass es ein System von mehreren Teilsystemen TSx ist, das als ein Ganzes betrachtet einen wohldefinierten und messbaren Zustand Z* einnimmt, ohne dass man auch jedem seiner Teilsysteme TSx einen eigenen wohldefinierten und messbaren Zustand Zx zuordnen kann.
Dieses systemtheoretische Prinzip (STP) ist jedoch nur ein epistemisches bzw. methodisches Prinzip, das definitorisch besagt, was es heißt etwas Bestimmbares, wie eine abgrenzbare und identifizierbare Entität in der Wirklichkeit als ein System S aufzufassen und zu behandeln. Ein solches System S ist ein Ganzes, das aus einer unbestimmten Anzahl von Teilsystemen TSx besteht, und das (zu verschiedenen Zeitpunkten und an verschiedenen Stellen im Raum) definierbare und messbare Zustände Zx einnehmen kann, ohne dass man die Zustände seiner Teilsysteme definierten und messen könnte.
Dieses systemtheoretische Prinzip (STP) ist jedoch definitorischer Art und daher gar keine Aussage über die Natur der Wirklichkeit mit ontologischen oder gar metaphysischen Implikationen. Sie ist apriorisch und nur daher allgemein gültig, weil sie so definitorisch gesetzt wurde. STP hat daher keine ontologischen oder metaphysischen Implikationen. Es handelt sich um eine philosophisch oder kosmologisch relevante Aporie, d.h. etwas, das auch moderne menschliche Physiker zumindest noch nicht wissen und vielleicht aus prinzipiellen Gründen gar nicht wissen können.