Einführung


 

Der egalitäre Universalismus, aus dem die Ideen von Freiheit und solidarischem Zusammenleben,

von autonomer Lebens­führung und Emanzipation, von individueller Gewissensmoral, Menschen-

rechten und Demokratie entsprungen sind, ist unmittelbar ein Erbe der jüdischen Gerechtigkeits-

und der christlichen Liebesethik. … Dafür gibt es bis heute keine Alternative.

Auch angesichts der aktuellen Herausforderungen … zehren wir nach wie vor von dieser Substanz.


Jürgen Habermas, Ein Gespräch über Gott und die Welt. Ein Interview

in: Zeit der Übergänge, Frankfurt/M. 2001, S. 173-196

 

 


 

Wozu Philosophie?

 

Jeder Mensch hat in seiner Kindheit und Jugend eine familiäre und kulturelle, ökonomische und politische, weltanschau-liche oder religiöse Prägung erfahren. In der Pubertät beginnen junge Menschen in unserer gegenwärtigen westlichen Kultur oft diese prägenden Einflüsse infrage zu stellen, um ihren eigenen Weg zu finden und um sich selbst über Gott und die Welt, über den Menschen und seine Kulturen, über das Ökonomische und Politische zu informieren und um sich selbst ein annehmbares Bild zu machen.

 

Mit anderen Worten, junge Menschen beginnen in unserer modernen westlichen Kultur dann gewöhnlich selbstständig nach der Wahrheit über diese Dinge zu suchen, um sich von den Vorurteilen ihrer Kultur und ihrer Tradition zu befreien und um nicht den vorherrschenden Täuschungen ihrer Kultur und Gesellschaft zu erliegen. Dabei verfallen sie jedoch nicht selten den neuesten Moden des Zeitgeistes, da sie die enttäuschenden und schmerzlichen Wahrheiten über den Menschen und diese Welt noch lange nicht erkennen und aushalten können.

 

Aber diese Suche nach der Wahrheit hört eigentlich nie ganz auf. Denn wir Menschen können uns bis ins hohe Alter hinein täuschen, können tiefgreifende neue Erfahrungen machen und manchmal bis ins Mark erschüttert werden, sodass wir uns neu orientieren müssen. Dann zeigt sich, dass wir bis ins hohe Alter hinein lernen können und diese Suche unermüdlich fortsetzen müssen. Menschen, die nicht von sich selbst entfremdet sind, bleiben für neue Er-kenntnisse offen. Sie wollen sich jedoch gewöhnlich nicht täuschen lassen oder gar bewusst belogen, betrogen und getäuscht werden.

 

Philosophie ist eigentlich nichts anderes als die aufrichtige und wahrhaftige, die gründliche und methodische Suche nach der Wahrheit über sich selbst, über den Menschen und die Natur, über Gott und die Welt, über die Fähigkeiten und Grenzen der Wissenschaften und Künste sowie über die Stärken und Schwächen der Religionen und Konfessionen.

 

Wozu dient also Philosophie? Philosophie dient vor allem der Befreiung von gewohnten Selbsttäuschungen und von Täuschungen durch Andere. Sie dient der Erkenntnis der Wahrheit über sich selbst, über den Menschen und die Natur, über Gott und die Welt, über die Fähigkeiten und Grenzen der Wissenschaften und Künste, sowie über die Stärken und Schwächen der Religionen und Konfessionen, etc. 

 



 

Wozu Theologie?

 

Kein Mensch ist bloß ein einmaliges Individuum, sondern aufgrund seiner menschlichen Natur und seiner Zugehörig-keit zu dem einen oder anderen Geschlecht immer schon Exemplar der biologischen Gattung Mensch, und zugleich Angehöriger eines Geschlechtes, des weiblichen oder des männlichen Geschlechtes. Alle Anderen gehören irgendwie beiden an.

 

Der christliche Glaube ist überliefertes Erbe einer alten kirchlich verfassten christlichen Erbengemeinschaft. Persönliche Glaubensgeschichten christlicher Povenienz zehren davon und spiegeln ein Kaleidoskop von Bruchstücken aus diesem Erbe je nach Alter und Entwicklungsstand, Erfahrung und Gutdünken. Das christliche Glaubensbekenntnis verbindet viele Generationen über Jahrhunderte hinweg. Die persönlichen Glaubensüberzeugungen von Menschen mit einer christlichen Prägung machen die sich wandelnde Identität der Christen und Christinnen aus.

 

Der Kern des christlichen Glaubens lässt sich selbstverständlich durch naturwissenschaftliche Kenntnisse und Vermutungen weder begründen noch widerlegen. Das ist ebensowenig möglich wie es möglich wäre, Logik, Mathematik und Informatik, Philosophie und Weltanschauung, Moral und Recht, Grund- und Menschenrechte, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Marktwirtschaft, Medizin und Jurisprudenz, Ökonomie und Politik, Sozial- und Kulturwissenschaften, Geistes- und Geschichtswissenschaften, etc. naturwissenschaftlich zu begründen oder anzufechten. Wer es trotzdem versucht, beweist damit nur seine fehlende Bildung.

 

Das hohe Ansehen der Naturwissenschaften in neuzeitlichen und modernen Gesellschaften spricht nicht dafür, dass man sie zum höchsten oder gar alleinigen Maßstab für alle anderen Bereiche des menschlichen Lebens und der menschlichen Denkweisen machen könnte. Diese naturalistischen oder szientistischen Versuche vor allem von Seiten des totalitären Marxismus-Leninismus und des totalitären Nationalsozialismus haben im 20. Jahrhundert zu brutalem Massenmord, zwei schrecklichen Weltkriegen und anderen zivilisatorischen Katastrophen geführt und die ganze Menschheit mit der atomaren Auslöschung bedroht.

 

Theologie ist eigentlich nichts anderes als die aufrichtige und wahrhaftige, die gründliche und methodische Suche nach der Wahrheit einer bestimmten Glaubensweise, die sich wie das Judentum, das Christentum und der Islam auf eine alte Offenbarung berufen. Eine Theologie wendet sich daher nicht nur an den einzelnen Menschen, sondern an eine be-stimmte Glaubensgemeinschaft, die verschiedene Generationen umfasst und die sich von Generation zu Generation zu erhalten versucht, um auf diese Weise aus der Erinnerung und Herkunft verschiedene Lebensentwürfe und Perspek-tiven für die Zukunft zu gewinnen.

 

Wozu dient also Theologie? Theologie dient vor allem der Bewahrung und der Erneuerung bestimmter Glaubensweisen und Überlieferungen mit ihren Interpretationen und Praktiken. Sie dient damit ähnlich wie die Philosophie der Erkennt-nis der Wahrheit über sich selbst, über den Menschen und die Natur, über Gott und die Welt, über die Fähigkeiten und Grenzen der Wissenschaften und Künste, sowie über die Stärken und Schwächen der Religionen und Konfessionen, etc.

 

Haben wir von Hause aus eine jüdische Erziehung und Prägung erfahren, dann dient Theologie der kritischen Aus-einandersetzung mit den religiösen und konfessionellen Prägungen, die wir seit unserer Kindheit und Jugend erfahren haben. Dazu gehören insbesondere unsere jüdischen Glaubensüberzeugungen über Gott, die Propheten des Alten Israel und den Tanach.

 

Haben wir von Hause aus eine christliche Erziehung und Prägung erfahren, dann dient Theologie der kritischen Aus-einandersetzung mit den religiösen und konfessionellen Prägungen, die wir seit unserer Kindheit und Jugend erfahren haben. Dazu gehören insbesondere unsere christlichen Glaubensüberzeugungen über Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist.

 

Haben wir von Hause aus eine islamische Erziehung und Prägung erfahren, dann dient Theologie der kritischen Auseinandersetzung mit den religiösen und konfessionellen Prägungen, die wir schon in der Kindheit und Jugend erfahren haben. Dazu gehören insbesondere unsere islamischen Glaubensüberzeugungen über Gott, unseren Propheten Mohammed und den Koran.

 

Haben wir von Hause aus eine andere religiöse oder weltanschauliche Erziehung und Prägung erfahren, dann dienen Philosophie und Theologie eben der Auseinandersetzung mit unserer persönlichen Prägung durch diese anderen Religionen und Weltanschauungen, ganz gleich, ob es sich um eine buddhistische oder hinduistische , eine daoistische oder konfuzianische Glaubensweise, Lebensweise oder Lehre handelt.

 



 

Wozu politische Aufklärung?

 

Die Werke der paradigmatischen Philosophen und Theologen stammen zwar aus früheren Zeiten, aber sie enthalten Gedanken, Überlegungen und Lehren, die teilweise von zeitloser Bedeutung und transkultureller Gültigkeit sind. Damit können sie immer wieder dazu beitragen, die Einseitigkeiten, Vorurteile und Verrücktheiten des jeweiligen Zeitgeistes und der eigenen Kultur und Gesellschaft zu durchschauen und zu überwinden.

 

Aber nicht immer können die Werke dieser früheren Philosophen und Theologen uns dabei helfen, die sozialen und kulturellen, ökonomischen und politischen Ereignisse, Prozesse und Trends unserer Gegenwart besser zu kennen und zu verstehen. Dazu brauchen wir zuverlässige Quellen der Aufklärung über soziale und kulturelle, ökonomische und politische Ereignisse, Prozesse und Trends, die unser gegenwärtiges Leben tangieren, die unser zukünftiges Leben beeinflussen und die das Leben zukünftiger Generationen prägen werden.

 

Politische Aufklärung ist daher eine notwendige Ergänzung der beiden umfassenden und selbstkritischen Formen der Wahrheitssuche in der Philosophie und Theologie der großen Weltreligionen. Denn Regierungen und Politiker neigen immer und überall zum Opportunismus und versuchen stets ihre eigene Macht und ihren Wohlstand sowie die Macht ihrer Regierung, ihrer Parteimitglieder und ihrer Lobbyisten zu erhalten und zu erweitern.

 

Die freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie bzw. demokratische Republik ist die beste Staatsform. Denn nur in freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratien können (nach Karl Popper) allzu korrupte Politiker ohne Blutvergießen abgewählt werden, ohne dass es zu sozialen Verwerfungen oder gar zu einem blutigen Bürgerkrieg kommt. Der soziale Frieden kann dadurch weitgehend erhalten bleiben und eine in freien und geheimen Wahlen abgewählte Regierung kann nach den geltenden Spielregeln ausgetauscht werden.

 

Politische Aufklärung, eine bürgerliche Öffentlichkeit, die freie Presse und unabhängige kritische Medien dienen der Kontrolle der Regierung durch die Bürgerschaft eines Landes, einer Nation oder einer Föderation. Obwohl Philosophie und Theologie primär der eigenen Befreiung von den erworbenen Selbsttäuschungen und von den anhaltenden Täuschungen des Zeitgeistes, von der Manipulation durch Regierungen und regierungstreuer Medien dienen, haben

sie auch sekundär eine Funktion im Hinblick auf die politische Aufklärung, die nur mit Hilfe von möglichst vielen wachsamen und kritischen Bürgern und Bürgerinnen wirksam werden kann.

 


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