Feministische und also sexistische Fortschrittskriterien sind irreführend,
denn welches Geschlecht eine Person hat, sagt rein gar nichts über die Qualität
ihrer politischen Absichten und Pläne, Entscheidungen und Handlungen aus.
Ist das denn jetzt wirklich ein Fortschritt, dass in Italien zum ersten Mal eine Frau Ministerpräsidentin wird?
Sie heißt Giorgia Meloni und ihre rechtsextreme Partei heißt ausgerechnet: Fratelli d'Italia, Brüder Italiens.
Na, herzlichen Glückwunsch zum Fortschritt, bella Italia!
Rechtsruck in Europa und die Furcht vor der Freiheit
Dass es nach der Banken- und Börsenkrise von 2008, nach der Flüchtlingskrise von 2015, nach dem Brexit von 2018 bis 2020 und nach der Corona-Epidemie von 2020 bis 2022 wie auch schon zuvor in USA, in Brasilien und in Indien nunauch in Europa einen politischen Rechtsruck geben könnte, der den antidemokratischen Super-mächten China und Russland Auftrieb geben könnte, haben viele kritische Beobachter, Journalisten und Politik-wissenschaftler schon für längere Zeit befürchtet.
Nach dem militärischen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, die seit über ein Jahrzehnt ihre politische Selbstbestimmung als eine ungeteilte und souveräne Nation und als eine freiheitlich-rechtstaatliche Demokratie gegen die Korruption im eigenen Land und gegen die Abhängigkeit von Russland gekämpft hat, brodelt und rumort es zunehmend auch auf dem europäischen Kontinent. Es entsteht eine politische Polarisierung zwischen den öko-sozial-liberalen und den autoritär-nationalistischen, aber weitgehend wirtschafts-liberalen Kräften und Mentalitäten.
Während die meisten Bürger im Baltikum, in Polen und in Ungarn, in anderen Visegrad-Staaten, fast alle Ukrainer und einige Bürger in Belarus und in Russland entschieden für eine Demokratie und bürgerliche Freiheiten, einen Rechtstaat und eine soziale Marktwirtschaft und gegen die korrupte und ungerechte Kleptokratie der Oligarchen und ihre pseudo-demokratischen Regime kämpfen, da sie keinen sozialen Fortschritt zulassen und noch nicht einmal die Entwicklung der Wirtschaft und einen gewissen Wohlstand fördern, werden jedoch in einigen öst-lichen Ländern der EU wie in Polen, Serbien und Ungarn und in einigen westlichen Ländern der EU wie in Frank-reich, Deutschland und Italien zunehmend unzufriedene autoritäre und nationalistische Kräfte stark.
Bei diesen politischen Kräften handelt es sich jedoch nicht um klassische Konservative, wie die früheren fran-zösischen Republikaner, die italienischen und deutschen Christdemokraten, sondern um neuere Rechtspopulisten und sogar um Rechtsradikale, die sich in neueren anti-europäischen und anti-migrantischen Parteien zusammen-geschlossen haben. Während die sog. Schwedendemokraten sich wenigstens durch Beschlüsse und Erklärungen klar von jedem Rassismus abgegrenzt haben, gibt es solche Vereinbarungen weder bei der deutschen AfD noch bei der französischen Front / Rassemblement National noch bei der rechtspopulistischen Lega (Nord) oder den rechtsradikalen Fratelli d'Italia.
In der Regel waren die neuen Rechten in Europa für das nationalistische Gespann Trump und Bannon, für die Pro-Brexit-Koalition von Farage (UKIP) und Johnson (Tories) und sympathisierten sogar trotz des russischen An-griffskrieges mit dem autoritären, antidemokratischen und anti-liberalen Führungsstill von Putin nund Medwe-dew. Während in Ungarn Viktor Orban, ähnlich wie Rajip Erdogan in der Türkei, eine janusköpfige Strategie ver-folgt und sich im Interesse seiner Regierung und seines Volkes jeweils das beste aus beiden Welten herauszu-fischen versucht, sind die Polen immer noch aus geschichtlicher Erfahrung heraus ganz klar gegen Putins Re-gime, weil sie Russland aufgrund ihrer geschichtlicher Erfahrung immer noch fürchten, ganz gleich, ob sie eher pro-europäische Sozial-Liberale oder pro-vatikanische Konservative sind.
Äußere Stressfaktoren und innere Freiheit
Zweifelsohne geht es in der seit dem Ukrainekrieg zunehmenden Energiekrise und in dem sich verschärfenen Klimawandel vor allem um ökonomisch-politische Abhängigkeiten von Ressourcen für die nationalen Volkswir-schaften und für die föderale Vernetzung in Europa. Aber auch wenn die Befürchtungen angesichts von steigen-der Inflation, von offenkundigem Mangel an Energieressourcen, von abreißenden Lieferketten, zunehmenden Gefährdungen des Mittelstandes und einem horrenden Wechsel von schweren Unwettern und schädlichen Trockenheitsperioden, um reale Bedrohungen für Gesundheit, Leib und Leben.
Aber dennoch gibt es angesichts dieser realen Bedrohungen, die durch den Ukrainekrieg verschärft wurden,
(bis hin zur erschreckenden Gefahr des Einsatzes von Atomraketen in der Ukraine) auch ein Problem der Men-talitäten, mit denen Menschen versuchen, in diesen Grenzsituationen zurechtzukommen und weitgehend unbeschadet zu bestehen. Denn, ob sie sich den öko-sozial-liberalen Freunden und Verteidigern von Demokratie, Rechtsstaat und sozialer Marktwirtschaft zuwenden oder den autoritär-nationalistischen Gegnern und Feinden von Demokratie, Rechtsstaat und sozialer Markwirtschaft zuwenden, wie die Trump-Anhänger oder die Putin-
Fans hängt primär davon ab, ob sie sich vor der Freiheit fürchten, vor ihrer eigenen persönlichen Freiheit und
vor den bürgerlichen Freiheiten und Freijeitdrechten in den modernen Gesellschaften.
Der Sozialpsychologe Erich Fromm hatte 1949 sein Buch mit dem Titel Die Furcht vor der Freiheit publiziert.
Darin stellte er damals die These auf, dass der moderne Mensch des 20. Jahrhunderts zwar äußerlich mehr Freiheiten gewonnen hat, sein Leben unabhängiger von sozialen Konventionen, überlieferten Traditionen und regulierenden Institutionen selbst zu gestalten. Denn in früheren traditionellen Gesellschaften waren die sozialen Rollen und Optionen zur Selbstgestaltung seines Leben noch viel stärker durch Geburt, Herkunft und Schicksal bestimmt. Aber der moderne Mensch hat nach Fromm noch lange nicht die innere Freiheit gewonnen, auch mit diesem in der Moderne gewonnenen Zuwachs an Freiheit der Selbstbestimmung umzugehen. Vielmehr hat der moderne Mensch eine eigentümliche innere Furcht vor der neu gewonnenen äußeren Freiheit entwickelt, die zu drei "Fluchtmechanismen" geführt hat.
Diese drei "Fluchtmechanismen" sind psychologische Tendenzen, seiner inneren Freiheit durch drei Verhaltens-weisen zu entkommen. Der erste Fluchtmechanismus führt in einen neuen Autoritarismus, d.h. zu dem Versuch, seine innere Furcht vor der Freiheit durch Unterwerfung unter eine äußere Autorität, d.h. einer angesehenen Person oder starken Institution zu überwinden, die ihm die angsterzeugende Last seiner Freiheit abnimmt, indem sie ihm sagt, wie er zu leben hat und was er zu tun und zu unterlassen hat. Der inneren Leere einer verdeckten und uneingestandenen nihilistischen und zynischen Einstellung versucht man dann durch seine unbedingte Unterwerfung und fanatische Verehrung einer äußeren Autorität zu entkommen. Weil man ohne diese äußere Autorität kein eigenes Selbst hat, wird man überhaupt erst jemand durch seine Identifikation mit einer äußeren Autorität oder durch seine Partizipation an einem Kollektiv oder einer Institution, die einem von außen Ideale, Prinzipien, Werte und Normen vermittelt.
Der zweite Fluchtmechanismus führt zu einem sog. Destruktivismus, d.h. zu einer destruktiven Einstellung, zu einer Haltung, seine Furcht vor der Freiheit, seine existenzielle Angst und seine innere Leere durch eine verm-
meintliche Überlegenheit über Andere und durch Stärkung seines von Hause aus geschwächten Selbstbewusst-sein zu gewinnen. Unfähig zu einem offenen Gespräch unter
Gleichen kämpft man immer krampfhaft um eine überlegene Postition, um den Anderen herabsetzen und sich überlegen fühlen zu können. Ebenso unfähig zur
schöpferischen und freien Gestaltung von innovativen, werthaltigen und nachhaltigen Produkten, Ereignissen und Beziehungen ist man gezwungen, sein durch einen ständigen Vergleich mit Anderen gekränktes Selbst-bewusstsein durch eine vermeintliche Überlegenheit über Andere zu stärken, selbst wenn dies nur dadurch gelingt, dass man etwas mutwillig zerstört, was Andere Schönes und Gutes geschaffen haben. Der inneren
Leere einer verdrängten nihilstischen und zynischen Einstellung versucht man dann durch Zerstörung dessen
zu entkommen, dass man wenigstens seine Macht durch die Fähigkeit zur Zerstörung spürt.
Der dritte Fluchtmechanismus führt zu einem neuen Konformismus, d.h. zu einer Anpassung an vorgegebene Rollen- und Verhaltensmuster, die die alte Bestimmung seiner Rollen und Optionen durch soziale Konventionen, überlieferte Traditionen und regulierende Institutionen ersetzen soll. Diese Haltung entspringt dem tieferen Wunsch nach einer unerschütterlichen Geborgenheit in der Heimat, in "seiner Stadt" oder in "seinem Land",
nach einer (lebenslangen) Zugehörigkeit zu einer Religion, Konfession oder Weltanschauungsgemeinschaft,
wie z.B. zu den Freimaurern, zu einer bestimmten Kirche, Moschee oder Synagoge, zu einem Club, einem Berufs-verband oder einem Verein, zu einer Gewerkschaft, einer politischen Partei oder einem karrierefördernden Netzwerk wie den Rotariern oder dem Lions-Club, etc.
Über Erich Fromm hinausgehen
Nun wäre es sicher überzogen und verfehlt, solche persönlichen Bindungen und sozialen Beziehungen wie Erich Fromm einfach nur als vormodern und antiliberal aufzufassen und dem modernen Fortschrittsglauben anzu-hängen, dass die Freiheit von solchen Bindungen und Beziehungen immer größer werden würde und geradezu grenzenlos werden könnte. Erich Fromm, der sich durch die Psychoanalyse vom orthodoxen Judentum seiner Eltern und Vorfahren gelöst hatte, war in seinen schöpferischen Berufsjahren als Psychoanalytiker und Sozial-psychologe vor allem durch die jüdischen Propheten, die Freudianische Psychoanalyse, den frühen Karl Marx
und den Zen-Buddhismus geprägt.
Obwohl sich Erich Fromm selbst als Humanisten verstanden hatte und die Freudsche Psychoanalyse reformierte,
indem er sie von einigen zeitbedingten Klischees, veralteten Methoden und überhohlten Stereotypen befreit hatte, konnte er sich vermutlich aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seiner psychoanalytischen Neigung
zum Atheismus nicht für den christlichen Glauben erwärmen. Daher hatte er den befreienden und humanisti-schen Gehalt des christlichen Glaubens nie begriffen und daher auch nicht die klaren Vorzüge des menschen-freundlicheren und empathischeren christlichen Glaubens gegenüber dem etwas strengen, unterkühlten und apathischen Zen-Buddhismus nicht verstanden.
Vermutlich hatte Erich Fromm selbst immer noch die ängstlichen Züge des orthodoxen Judentums seiner Eltern vor Augen ähnlich wie Sigmund Freud immer noch die sexuell repressiven Züge der Wiener Katholizismus des
19. Jahrhunderts vor Augen hatte und ähnlich wie Friedrich Nietzsche immer noch den zwanghaften, freudlosen und lustfeindlichen protestantischen Pietismus seiner Herkunftsfamilie und des 19. Jahrhunderts im damaligen Sachsen vor Augen hatte. Aber von Franz Brentanos empirischer Psychologie und von Immanuel Kants mehr epikuräischer Tugendlehre hätte er lernen können, dass es interessante und heilsame Alternativen zum spino-zistischen Stoizismus Freuds, zur dialektisch-materialistischen Geistlosigkeit von Marx und zur Irrationalität des Zen-Buddhismus gibt.
Außerden sind persönliche Bindungen und soziale Beziehungen keine vormodernen Existenzweisen, die der moderne Mensch nach und nach einfach abschütteln und hinter sich lassen könnte, um sich emanzipativ von ihnen zu befreien und um dadurch seine Selbstentfremdung zu überwinden und um dadurch zu seinem "wahren Selbst" zu finden. Auch wenn das zeitgenössische und postmoderne Liberale immer noch glauben bis hin zu
einer feministischen Umgestaltung der angeblich patriarchalen Sprache, bis zu der wahnhaften Ideologie einer jedem Menschen möglichen der Wahl des eigenen leiblichen Geschlechtes oder bis hin zur Verdammung und Verbannung aller überlieferten Geistesgrößen und ihrer Werke sowie bis zur Verteufelung und Verachtung aller überlieferten Religionen und Konfessionen.
Persönliche Bindungen und soziale Beziehungen
Persönliche Bindungen und soziale Beziehungen hat es in der langen Natur- und Kulturgeschichte der Mensch-heit in allen Kulturen und Epochen immer schon gegeben, weil sie ganz einfach zur menschlichen Natur und Kultur gehören und immer nur kulturell, sozial und individuell variiert, aber nicht ganz abgelegt werden können, ohne die Menschen auf eine inhumane Weise zu isolieren, ohne ihnen seelisch und gesundheitlich zu schaden und ohne sie unglücklich zu machen. Daher hatte Aristoteles ganz recht damit, dass er den Menschen nicht nur als ein animal rationale bestimmte, sondern auch als ein soziales und politisches Lebewesen (zoon echon politikon).
Das Problem unserer modernen Ideologien, unseres der Tendenz nach existenzialistischen und subjektivis-tischen Selbstverständnissen und unserer tendenziell individualistischen Menschenbilder ist jedoch, dass wir fälschlich meinen:
(1.) dass es keine natürliche Arten (natural kinds) unabhängig vom menschlIchen Bewusstsein und Geist gibt,
wie Äpfel und Birnen, Katzen und Hunde, Affen und Menschen, etc. Das sind nämlich nicht nur konventionelle oder gar beliebige sprachliche Klassifikationen, sondern im Laufe der Evolution entdeckte Arten, die es unab-hängig vom menschlichen Bewusstsein und Geist gibt, was wir durch die Beobachtung des Verhaltens von
einigen Tierarten lernen können, die sie ebenfalls wahrnehmen und kognitiv identifizieren können.
(2.) dass jeder Mensch nur ein einzigartiges Individuum sei, aber kraft seiner Erzeugung, Geburt und leiblichen Natur keiner gemeinsamen Gattung und keinem gemeinsamen Geschlecht angehört. Obwohl jemand kraft
seiner Erzeugung, Geburt und leiblichen Natur einer gemeinsamen Gattung und einem gemeinsamen Ge-schlecht angehört, kann seine reifere Persönlichkeit durchaus stark individuiert sein.
(3.) dass Menschsein nicht auch für alle Individuen und Exemplare bedeutet, einer natürlichen Art (homo sapiens sapiens) anzugehören und gewisse wesentliche Eigenschaften und existenziellen Grundbedürfnisse (saubere Atemluft, sauberes Trinkwasser, genießbare Nahrung, schützende Kleidung und Behausung, etc.) mit allen anderen Exemplaren dieser Gattung zu teilen.
Fluchtmechanismen unter Christen
Da Christen selbstverständlich auch nur Menschen sind, haben sie an den Stärken und Schwächen der mensch-lichen Natur und Kultur anteil und können ebenso sehr von einer Furcht vor der Freiheit erfasst werden. Aber es gibt bestimmte Formen des Christentums, die davon stärker betroffen sind als andere. Die von Fromm diagnos-tizierte Flucht ins Autoritäre und Konformistische kommt sicher häufiger bei römisch-katholischen und russisch-orthodoxen Traditionalisten vor, bei denen patriarchalische Mentalitäten und Organisationsstrukturen dominie-ren. Bei dem Kirchenführer der russischen Orthodoxie Kyrill II. zeigten sich im Zuge seiner Befürwortung des Krieges gegen die Ukraine sogar destruktive Hassfantasien gegen den liberalen Westen und die liberale EU.
Solche autoritären und konformistischen Tendenzen können bis zur fanatischen Verehrung und pseudo-religiö-sen Verklärung starker politischer Anführer wie Bolsonaro, Putin oder Trump gehen. Dann kommen manchmal sogar ein religiös aufgeladener Hass gegen deren politische Gegner, wie gegen Liberale und Sozialisten, gegen ökologische Aktivisten und die gegen die Verteidiger der rechtsstaatlichen Demokratie hinzu.
Aber auch bibelfundamentalistische, charismatische, evangelikale und klerikale Gruppierungen innerhalb der protestantischen Kirchen, Denominationen und Konfessionen weisen öfter eine autoritäre und konformistische Furcht vor individuellen der Freiheit der Selbstbestimmung in Glaubensfragen und in der Lebensgestaltung auf. Einige Christen in ihnen neigen auch zu weitgehend rechtspopulistischen Parteien, wie z.B. zur deutschen AfD. Aber auch die evangelische Amts- und Volkskirche der EKD in Deutschland ist mittlerweile auf ihre Art und Weise sehr konformistisch, wenn auch mit einem deutlichen Hang zu den Grünen und zur SPD.
Politisch liberale und pluralistische Freikirchen, die diesen Namen wirklich verdienen, weil in ihnen das Evangelium als eine individuell befreiende Botschaft gepredigt und der Heilige Geist als seelisch befreiende und heilsame Kraft erfahren wird, sind eher selten (geworden), obwohl das der ursprüngliche Sinn der Verkündigung des Evangeliums gewesen ist. Merkmale solcher Gemeinden ist die selbstverständliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern (auch in Führungspositionen), die Akzeptanz von Homosexuellen und die bereitwillige Integration von (oft ehemals verfolgten oder ausgestoßenen) konvertierten Ex-Muslimen, weil Evangelisierung sich nicht nur im Dialog mit Muslimen erschöpfen kann.
Ursachen und Gründe für den Rechtsruck in Europa
Der Rechtsruck in einigen Ländern der Europäischen Union hat zu politischen Bewegungen und Parteien geführt, die nicht nur offen ausländerfeindlich agieren, sondern auch die oft auch die schwierige Integration verhindern wollen. Nationalistische Ressentiments gegen den eurpäischen Integrationsprozess kommen hinzu, obwohl es sicher auch reale Probleme eines angemessenen Verhältnisses zwischen den souveränen Mitgliedsstaaten und einer überbordenden europäischen Zentralisierung gibt.
Sympathien für das pseudo-demokratische Regime von Putin führten trotz der Unterdrückung und Ermordung demokratischer Dissidenten und trotz der kleptokratischen Oligarchie und trotz des Krieges gegen die Ukraine sogar zu Besuchen in Moskau, zu Sympathiebekundungen für Putin und zur Annhame von Spendengeldern. In Frankreich gruppieren sich die Rechtspopulisten um Marine Le Pen und die Rechtsradikalen um Eric Zemmour,
in Italien gruppieren sich die Rechtspopulisten um Matteo Salvini von der Lega und die Rechtsradikalen um Giorgia Meloni der Fratelli D'Italia. In Deutschland gruppieren sich die Rechtspopulisten der AfD um Alice Weidel und Timo Chrupalla und die Rechtsradikalen der AfD um Björn Höcke und die Mitglieder des ehemaligen, aber mittlerweile aufgelösten "Flügels".
Trotz der rechtslastigen Mentalitäten gibt es in ganz Europa wegen des Krieges gegen die Ukraine leider auch einige Nebenwirkungen und Krisensymptome, die angesichts der zunehmenden Existenzängste den Rechts-populisten und Rechtsradikalen in die Hände spielen. Die verheerende Abhängigkeit der Energielieferungen aus Russland, die die früheren Regierungen von Schröder und Merkel geschaffen haben, lassen die SPD und die CDU/CSU in keinem allzu günstigen Licht erscheinen. Daher nehmen eine nur allzu verständliche Unzufriedenheit und eine demokratiemüde Politikverdrossenheit zu. Das kommt vor allem den rechten Oppositionsparteien ent-gegen, weil die bereits marginalisierten Linken in vielen Ländern Europas zerstritten oder zersplittert sind.
Der Liberalismus des Westen verliert außerdem durch die zunehmenden Folgen des Klimawandels in Form von Flutkatastrophen oder verheerenden Dürreperioden an Zustimmung. Die vorwiegend technizistischen und öko-nomischen Lösungen der Liberalen scheinen zu spät zu kommen, um die Bürger noch überzeugen zu können. Das fatale und unaufhaltsame Schmelzen der Gletscher führt bereits zu Niedrigständen in großen Flüssen wie dem Rhein oder der Rhone, sodass einige Atomkraftwerke aus ihnen nicht mehr genug Kühlwasser gewinnen können. Die Grünen verlieren dann zusätzlich aufgrund ihrer umstrittenen Identitätspolitik an Zustimmung,
weil sie fast nur ideologische Luxusprobleme wie das Gendern, die Transsexualität und den Wokenesswahn betrifft. Die deutsche Sozialdemokratie hat seit der rot-grünen Sozialpolitik unter Schröder ihre wichtigste Klientel mit neoliberalen Kompromissen an die Globalisten verprellt, um modern und kosmopolitisch zu erscheinen. Die Christdemokraten haben unter den Regierungen Merkels ihre struktur- und wertkonservativen Wählerschichten im Stich gelassen, um ebenfalls modern und kosmopolitisch und nicht bieder und heimatlich zu erscheinen.
Der Rechtsruck in Europa kommt nicht von ungefähr, zumal die neoliberalen ökonomischen Tendenzen weltweit immer noch vor allem den globalisierten Banken, Börsen und Konzernen und der weltweit wachsenden Anzahl von Milliardären nützen und weil die Recht setzenden und die Recht durchsetzenden Nationalstaaten weiter marginalisiert werden. Dass die modernen Nationalstaaten immer noch für Demokratien , Rechtsstaaten und soziale Marktwirtschaften pragmatisch notwendig und unersetzbar sind, wird nicht nur von den neoliberalen Globalisten zu wenig begriffen und beherzigt. Der Rechtsruck hat also vor allem ökonomisch-politische Ursachen und Gründe, gegen die es keine einfachen Patentrezepte gibt.