Klimawandel

Trockenes Rheinufer


 

Die falsche Lobby

 

Ulli Kulke - DIE WELT am 11.02.2012

 

Ein neues Buch über den Klimawandel hat diese Woche hitzige Diskussionen ausgelöst. Dabei plädieren die Autoren im Grunde nur dafür, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das fällt hierzulande schwer

 

Das Wetter, so sollte man meinen, bietet derzeit Anlass genug, einen kühlen Kopf zu bewahren. Doch es kam, wie es kommen musste. Hitziger konnten die Kommentare nicht ausfallen, die im Laufe der vergangenen Woche die Autoren auf sich zogen, die in ihrem Buch eigentlich nur dafür plädieren: einen kühlen Kopf bewahren.

 

Am Montag stellten Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning ihre Neuerscheinung auf einer Pressekonferenz vor: "Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet". Der Inhalt, kurz zusammengefasst: Der Klimawandel finde statt, auch das Kohlendioxid spiele dabei eine Rolle. Neben vielen anderen gewichtigen sei auch dies einer der Gründe, auf erneuerbare Energien zu setzen. Allerdings deuteten viele wissenschaftliche Quellen an, dass die Sonne im Klima-geschehen eine größere Rolle spiele als angenommen und eben nicht nur das ständig mehr werdende CO2. Was sich auch daran zeige, dass die Erderwärmung seit 13 Jahren eine Pause eingelegt habe. Es gebe also Zeit genug, die haar-sträubendsten Fehlentwicklungen in der Energiewende zu korrigieren.

 

Das war zu viel.

 

Wer hierzulande das große, computergenerierte Katastrophenszenario infrage stellt, gehört nicht mehr dazu. "Will-kommen im Abseits", hieß es hämisch in Richtung der beiden Buchautoren in einem Blatt, sogar noch vor der Buch-vorstellung durch die beiden Autoren. Und nur zwei Stunden danach lief sie schon über die Agenturen, die lange Liste derjenigen Klimaforscher, die doch bitte anzurufen seien, damit in den Presseberichten der Weltuntergang nicht zu kurz kommt, aufgestellt von einer Lobbyorganisation der -koindustrie. Ob dies nötig war, ist die Frage, das Erkenntnis-interesse der veröffentlichten Meinung liegt sowieso im Weltuntergang und seinem Fahrplan, und entsprechend fielen die Reaktionen auf das Buch im Laufe der Woche aus: "Die Beweislast ist erdrückend: So schnell wie nie zuvor erwärmt sich die Erde", beginnt eine große Wochenzeitung ihre dreiseitige Suada gegen die ketzerischen Autoren und alle an-deren Zweifler. Dabei offenbart schon der simple Blick in die einschlägigen Temperaturreihen den eher erdrückenden Gegenbeweis. Und einer der einst größten Propheten der Klimakatastrophe, der Engländer Phil Jones, musste nach der Veröffentlichung vieler Tausend E-Mails aus dem internen Verkehr des Weltklimarates vor Jahren bereits eingestehen, dass die derzeitige Temperaturentwicklung vergleichbar sei mit zwei anderen Perioden in den letzten Jahrhunderten.

 

Wenn aber von Lobby im Zusammenhang mit dem Klimawandel die Rede ist, so ist es hierzulande nicht die -koindustrie, sondern die Energieriesen. Wie passend, dass einer der Autoren jenes Buches, Vahrenholt, Manager beim Stromkonzern RWE ist - eine Bewandtnis, die in der Kommentierung jetzt nicht zu kurz kam. Dass Vahrenholt - Umweltschützer der ersten Stunde und durch sein Antidioxin-Buch "Seveso ist überall" (1978) bekannt geworden - für den Stromkonzern den Sektor für erneuerbare Energien aufbaute und als Aufsichtsrat weiter managen wird, erwähnen die wenigsten. Alle möglichen Motivationen werden ihm unterstellt, ausgeschlossen aber scheint für viele von vorn-herein der Beweggrund für sein Buch, den er selbst anführt: dass die Zustimmung zu den teuren erneuerbaren Ener-gien eines Tages komplett zusammenbrechen könnte, wenn der immer heftigere Alarmismus für alle sichtbar obsolet wird. Auch Vahrenholt zeigt hier Lobbyinteresse, aber eines, das nicht in das herrschende Schema passt, ein von Ideo-logie triefendes Schema.

 

Der letzte Weltklimagipfel vor zwei Monaten zeigte, dass außerhalb von Europa im Grunde kein Land mehr wirkliches Interesse an bindenden Abkommen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes hegt (abgesehen von den ärmsten Staaten, die sich daraus vor allem Transfermilliarden erhoffen) und dass auch innerhalb Europas die Unterschiede groß sind, mit dem selbst ernannten Klimabeauftragten Deutschland an der Spitze, Heimat des UN-Klimasekretariats in Bonn und der Umweltgruppen mit der höchsten Katastrophen-Potenz, die kräftig bemüht sind, auch alle Zwischentöne - wie die von Vahrenholt und Lüning - aus ihrem eindimensionalen Diskurs fernzuhalten.

 

All dies hat ein reichlich ungesundes Klima für eine offene Diskussion geschaffen. Wenn eine mutige Bundestags-abgeordnete kritische Klimaforscher zur internen Diskussion einlädt, skandalisiert dies die Opposition mit parlamen-tarischen Anfragen, als sei ein Drogendealer im Haus gewesen. Wenn eine mutige Journalistin in einer Tageszeitung Ergebnisse des Weltklimarates infrage stellt, hagelt es Briefe aus der Hochburg der Klimakatastrophenforschung in Potsdam an die Chefredaktion, sodass diese in ihren Blättern unterwürfig und ausgebreitet alles widerruft - die Pein-lichkeit, dass anschließend ein ordentliches Gericht die Potsdamer gehörig in ihre Schranken verwies, hat dann kaum jemand zur Kenntnis genommen. Die Journalistin hat sich aus dem Thema verabschiedet. Zwei Beispiele von vielen.

 

Eine sachliche Diskussion wird so mit Eifer torpediert. Schade. Neben den immer flacheren Temperaturkurven wäre gerade die Sonne einer unbefangenen Auseinandersetzung wert. Die wenigsten nehmen zur Kenntnis, dass es bei der Forschung, auf die sich Vahrenholt und Lüning beziehen, nicht um die Wärmestrahlen der Sonne geht, die in der Tat nur geringfügig schwanken, sondern um die Sonnenwinde, bei denen es sich immer deutlicher abzeichnet, dass sie indirekt die Wolkenbildung und somit auch das Klima wesentlich beeinflussen könnten. Der Weltklimarat IPCC hat sich am Rande auch damit befasst und festgestellt, dass diese Forschungen - an denen renommierte Institute wie etwa das Cern in Genf sitzen - für belastbare Aussagen noch nicht weit genug sind. Mag sein oder auch nicht. Tatsache ist, dass der IPCC entgegen seinem Anspruch, die Klimaforscher zusammenzuführen, noch nie auf die Idee kam, diese Wissen-schaftler für seine großen Berichte einzuladen. Warum nicht? Er ist der Weltklimarat, nicht der Weltkohlendioxidrat.

 

https://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article13862668/Die-falsche-Lobby.html

 



 

Klimawandel und Kapitalismus:

 

Unser Lebensstil muss verhandelbar sein 

 

Wer den Klimawandel nur auf das Phänomen der Erderwärmung reduziert, diskutiert am eigentlichen Thema vorbei. Es geht darum, soziale Ungleichheit und die ökologische Frage zusammen zu denken.

Eine Kolumne von Georg Diez

 

Kaum eine Kolumne, die ich in den vergangenen Jahren geschrieben habe, hatte eine so mächtige Resonanz bei den Lesern wie die über den Klimawandel und die Frage, wie er hätte verhindert werden können - und vor allem, warum das nicht passiert ist. Es scheint, dass die Zeit gekommen ist, dieses so lange verdrängte Thema in den Mittelpunkt der politischen Diskussionen zu stellen, also die ökologische Frage zu repolitisieren.

  • Als Hyperobjekte hat der ökologische Denker Timothy Morton einmal Phänomene bezeichnet, die zu groß sind, als dass wir sie wahrnehmen würden oder wollten. Eine erkenntnistheoretische Paradoxie mit fatalen Folgen, weil wir nur dann etwas unternehmen können, wenn wir sehen, um was es geht. Der Klimawandel ist so ein Hyperobjekt: Die Grundlagen des Lebens auf diesem Planeten ändern sich dramatisch, die Grundlagen der Politik, der Medien und der Gesellschaft aber kaum. Wir machen weiter, als sei nichts geschehen.
  • Ein weiteres Hyperobjekt ist der Kapitalismus, bei dem es scheinbar kein Außen gibt und keine Alternative: Es sei für die meisten Menschen leichter, hat der Theoretiker Fredric Jameson einmal gesagt, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Um eine politische Alternative zu imaginieren zu einer Gegenwart, die in Destruktion, Fatalismus und Apathie verharrt, wenn es um die Basis menschlichen Lebens auf diesem Planeten geht, ist es wichtig zu verstehen, wie beides zusammenhängt: das Überleben des Kapitalismus und das Überleben der Welt.

Beides, so scheint es, ist nicht gemeinsam zu haben. Das jedenfalls ist die Grundlage des politischen Programms, das der französische Philosoph Bruno Latour vor einer Weile veröffentlicht hat, sein "Terrestrisches Manifest", in dem er schreibt: "Ohne den Gedanken, dass wir in ein Neues Klimaregime eingetreten sind, kann man weder die Explosion der Ungleichheiten, das Ausmaß der Deregulierungen, die Kritik an der Globalisierung, noch, vor allem, das panische Verlangen nach einer Rückkehr zu den früheren Schutzmaßnahmen des Nationalstaats - was, sehr zu Unrecht, als 'Aufstieg des Populismus' bezeichnet wird - verstehen."

 

Ein Kampf um den Boden

 

Dazu kommt noch, als weiteres aktuelles Krisenphänomen, die weltweite Migration, die ebenfalls nur zu verstehen ist, so Latour, wenn man die Faktoren von Kapitalismus und Klimaveränderung zusammennimmt. "Die meisten unserer Mitbürger", schreibt er, "unterschätzen oder leugnen, was der Erde widerfährt, sind sich aber der Tatsache, dass die Migration ihre Träume von gesicherter Identität gefährdet, vollkommen bewusst."

 

Es ist, mit anderen Worten, ein Kampf um den Boden, der hier geführt wird. Ein Kampf um die Erde zwischen widerstreitenden Interessen. Um diesen Kampf zu beenden, politisch, ohne Gewalt, muss für Latour ein anderes Verständnis von Welt entstehen, das mit einem anderen Begriff verbunden ist als dem des Globalen oder der ökonomischen Schrumpfform der Globalisierung: Für ihn ist es der Begriff des Terrestrischen, womit er die Einsicht meint, dass die Bedingungen des Lebens auf der Erde von den Menschen selbst geschaffen sind und es kein neutrales oder von außen beschriebenes Globales gibt.

 

Die Globalisierung also als wirtschaftliche Realität, die für immer größere Konflikte sorgt und gewaltige politische Reaktionen, siehe Trump. Die Globalisierung auch als eine Form von Bewusstsein, ein Bild der Erde, die sie falsch darstellt - als vom Menschen losgelöst, abstrakt wie aus dem All: Für den Philosophen Latour beginnt mit dem Begriff des Terrestrischen das Verständnis für eine andere, neue, notwendige Politik, die über die bisherigen Einteilungen von "links" und "rechts" hinausreicht und die Kategorien des Lokalen wie des Globalen anders denkt.

 

"Aufstehen" - Politik, die im Lokalen verharrt

 

Die Klimakatastrophe erfordere neue politische Allianzen, schreibt Latour, die Einteilung in Reaktionäre und Progressive habe ihren Sinn verloren, wenn der Vektor der Modernisierung, also das Versprechen von Fortschritt, aufgekündigt wurde. Das beschreibt die Realität des Neuen Klimaregimes. Was das bedeuten könnte oder auch nicht, zeigen zwei der markantesten politischen Entwicklungen der vergangenen Wochen in Deutschland: die linke Sammlungsbewegung "Aufstehen" und der Erfolg der Grünen in Wahlumfragen.

 

"Aufstehen" ist das Beispiel einer Politik, die im Lokalen verharrt. Das legen jedenfalls die ersten Texte und Überlegungen nahe und vor allem die Aussagen von Sahra Wagenknecht, die in der Rhetorik gegenüber den Geflüchteten klargemacht hat, wo sie ihre Allianzen sieht: bei denen, die sich gegen die Geflüchteten stellen, aus Angst oder Agitation. Also vor allem bei der AfD, die die Frage der Migration verkürzt und die systemischen Verbindungen ignoriert - "Aufstehen" schafft es damit bislang nicht, das umzusetzen, was Latour als Zeichen einer neuen Politik sieht, die Verbindung von Ökologie und sozialer Frage.

 

"Die Wahl besteht nicht zwischen dem Lohn von Arbeitern und dem Schicksal kleiner Vögel, sondern zwischen zwei Arten von Welt, in denen es, in beiden Fällen, Arbeiterlöhne und kleine Vögel gibt, die aber auf je andere Weise miteinander verbunden sind", schreibt Latour und benennt dabei eine Schwäche, die von vielen linken Wählern immer noch bei den Grünen gesehen wird, trotz oder wegen ihres gegenwärtigen Hochs in den Umfragen: Sie haben es bislang gescheut, die Aspekte von Umverteilung, Klasseninteressen oder Ungleichheit mit den Fragen der Ökologie wirksam zu verbinden.

 

Am eigentlichen Thema vorbei

 

Die Grünen stecken damit immer noch im Dilemma ihrer Geschichte fest, wenn sie nicht klarmachen, dass sie keine abstrakte Natur schützen wollen, sondern dass der Schutz der Umwelt damit zusammenhängt, eine andere Welt und vor allem ein anderes Wirtschaftssystem als den gegenwärtigen "Petrokapitalismus" zu imaginieren und zu schaffen. Oder wie es Bruno Latour ausdrückt: "Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der sozialen Frage", schreibt er, "das 21. ist das Zeitalter der neuen geo-sozialen Frage."

 

Jede Diskussion über den Klimawandel und die Erderwärmung, die sich mit den Phänomenen aufhält, führt damit am eigentlichen Thema vorbei. Schon 1992 soll George H. W. Bush ziemlich klar gesagt haben, dass der "amerikanische Lebensstil nicht verhandelbar" sei. Doch, genau darum geht es. Dieser Lebensstil, der mittlerweile weltweit kopiert wird, ist verhandelbar. Jedenfalls dann, wenn man eine Erde für alle will.

 

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kapitalismus-und-klimawandel-muessen-zusammengedacht-werden-kolumne-a-1222540.html

 



 

Data science vs Fake: Die globale Klimaerwärmung gibt es nicht

 

https://www.arte.tv/de/videos/089156-003-A/data-science-vs-fake/