Historisch: Ulrich Zwingli (1484-1531)

 

Ein protestantischer Pfarrer und reformierter Theologe, der in den Glaubenskrieg gezogen ist, der selbst mit dem Schwert gekämpft hat und schließlich im Kampf gefallen ist? Das entspricht nicht mehr den Erwartungen, Vorstellungen und Hoffnungen zeitgenössischer Christen, weder evangelischer noch katholischer Christen.

 

Doch ist das nur das Resultat einer zufälligen geschichtlichen Entwicklung hin zur neuzeitlichen Realisierung der Trennung von Kirche und Staat, die doch schon früh anvisiert worden war, aber erst so spät realisiert werden konnte? Sind die Entstehung von moderner Demokratie und Rechtstaatlichkeit mit Gewaltmonopol und die Säkularisierung des Rechtsstaates in Europa und der westlichen Hemisphäre der Welt wirklich nur zufällige Resultate der geschichtlichen Entwicklung? Oder sind das nicht vielmehr nach langen blutigen Querelen die reifen Früchte der sanften Kraft der Verkündigung der ins Deutsche übersetzten Evangelien einschließlich der Bergpredigt Jesu? 

 

Was aber würde geschehen, wenn Judentum und Christentum, in ganz Europa und in der westlichen Hemisphäre der Welt an ihrer Bildung, Kultur und Politik mitprägenden Kraft verlören? Ließen sich dann diese zivilisatorischen Errungen-schaften der modernen Demokratie und Rechtstaatlichkeit mit Gewaltmonopol und die Säkularisierung eines weit-gehend religiös neutralen Rechtsstaates noch auf Dauer erhalten? Oder würde dann nicht wieder der Autoritarismus zunehmen? Könnten dann nicht wieder linke oder rechte totalitäre Regime wie im 20. Jahrhundert entstehen?

 

In China, wo die kulturell und politisch mitprägende Kraft von Judentum und Christentum fehlen, haben es moderne Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schwer. Fraglich bleibt, ob sie in Taiwan erhalten bleiben kann. In Indien, der be-völkerungsreichsten Demokratie der Welt kehrt nach dem Ende der britischen Kolinialisierung und nach der Abspaltung des vorwiegend islamischen Pakistan, ein Hindunationalismus zurück, der zu anwachsenden Repressionen gegen buddhistische, christliche und vor alle islamische Minderheiten geführt hat.

 

In den USA verbünden sich hingegen ein bornierter Bibelfundamentalismus mit den theokratischen Ambitionen von geldgeilen, heuchlerischen evangelikalen TV-Predigern des amerikanischen Health-and-Wealth-Gospels und mit den mehrheitlich plutokratischen und sozialdarwinistischen Kräften innerhalb der republikanischen Partei unter dem Familien-Clan von Donald J. Trump. Dieser Immobilienmogul und ehemalige Reality-TV-Star ist ein "pathologischer Lügner" (Bernie Sanders), der in seiner eigenen narzisstischen Egoblase gefangen ist. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen (?) hat er es mit seinem dämonischen Charisma geschafft, mit seiner Lüge von der angeblich gestohlenen Wahl ihm in der republikanischen Partei blindwütig ergebene Anhänger in seinen hypnotisierenden Bann zu ziehen.

 

Diese Massenhypnose erinnert aufgeklärte Europäer natürlich immer noch an Franco, Mussolini und Hitler. Es kommt also sehr darauf an, um was für ein Christentum es sich handelt. Auch in Deutschland gab es ab 1931 sog. "Deutsche Christen", die von Hitlers Machtergreifung begeistert waren und die dem antisemitischen und rassistischen Führerkult nicht widerstanden hatten. Nur die Laien, Pfarrer und Theologen der Bekennenden Kirche haben der Gleichschaltung durch die Nazis widerstanden. Auch der Papst, der Vatikan und die römischen Katholiken haben zum größten Teil zu der Deportation und Vernichtung der Juden und anderer Minderheiten durch die Nazis in ganz Europa geschwiegen.

 

Auch die klerikal-autoritäre PIS-Partei in Polen und die anti-liberale Fidesz-Partei von Viktor Orban in Ungarn halten sich für "christlich". Hinter diesem charismatischen "Label", das immer noch weltweit Hoffnungen auf Frieden, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und allseitige Versöhnung auf sich zieht, können sich jedoch auch nur allzu gut andere politische Ambitionen verstecken. Aber anders als bereits Aurelius Augustinus in seinem "Gottesstaat" gelehrt hat, unterwandern beide autoritäre Parteien die neuzeitliche und moderne Trennung von Kirche und Staat. Damit werden aber auch die jüdischen Mitbürger, Sinti und Roma, Lesben und Schwule sowie andere Minderheiten in Polen und Ungarn ständig unter Druck gesetzt.

 

Nicht jede Form des Christentums ist ein kultureller Garant der zivilisatorischen Errungenschaften der modernen Demokratie und Rechtstaatlichkeit mit Gewaltmonopol und der Säkularisierung eines weitgehend religiös neutralen Rechtsstaates. Daher können christliche Kirchen, biblische Hermeneutik und gelehrte Theologie nie ganz unpolitisch oder auch nur politisch neutral sein.

 

Seit dem brutalen Progrom am "schwarzen Freitag" in Gaza, am 27. Oktober 2023, das in Europa an das "Massaker von Butscha" in der Ukrainer erinnert, kommt der unterschwellige Antisemitismus wieder zum Vorschein. Zu den Rechts-radikalen in Deutschland, in Europa und in den USA, die seit Jahrzehnten in uralten antisemitischen Verschwörungs-mythen schwelgen, gesellen sich wieder israelkritische Linke und israelfeindliche Linksradikale, Radikal-Ökologen und "Wokeness"fanatiker, die sich für fälschlich für "progressiv" halten.

 

Sogar die schon immer etwas bornierte, aber unkritisch idealisierte und von den westlichen Medien und lukrativen Konzernen gehypte Greta Thunberg und ihre jugendlich-naiven Idealisten von "Fridays for Future" unterstützen jetzt rhetorisch die anti-israelischen Terroristen der Hamas und Hisbollah ebenso wie militante Palästinenser und Islamisten, die vom frauenfeindlichen, antiliberalen und islamitischen Mullahregime des Iran angeführt und angestachelt werden, obwohl sie die fanatischen Terroristen in Gaza und Libanon seit Jahren mit Raketen und anderen Waffen unterstützt haben. UWD

 


 

 

Tut um Gottes willen etwas Tapferes!

 

Herr, sollen wir mit dem Schwerte dreinschlagen?

 

Ulrich Zwingli

 

 
Ulrich Zwingli, Thesen (1522)
 
1. Die Summe des Evangeliums ist, dass unser Herr Jesus Christus, wahrer Sohn Gottes, uns den Willen seines himmlischen Vaters kundgetan und uns durch seine Unschuld vom Tod erlöst und mit Gott versöhnt habe.


2. Daher ist Christus der alleinige Weg zur Seligkeit für alle, die da waren, sind oder sein werden.


3. Wer eine andere Tür sucht oder zeigt, der geht irre, ja er ist ein Mörder der Seelen und ein Dieb.


4. Darum gehen alle irre und wissen nicht, was das Evangelium ist, welche andere Lehren dem Evangelium gleich oder höher schätzen.


5. Jesus Christus ist das Haupt und der Wegführer, der dem ganzen Menschengeschlecht von Gott verheißen und gesandt wurde.


6. Christus ist das ewige Heil und das Haupt aller Gläubigen, welche sein Leib sind, der aber ohne ihn tot ist und nichts vermag.


7. Daraus folgt erstens, dass alle, welche in dem Haupt leben, Glieder und Kinder Gottes sind. Und das ist die Kirche oder Gemeinschaft der Heiligen, eine Gemahlin Christi, „Ecclesia Catholica“ (d.h. allumfassende Kirche).


8. Zum zweiten folgt, dass, wie die leiblichen Glieder ohne Leitung des Hauptes nichts vermögen, also vermag jetzt in dem Leibe Christi niemand etwas ohne sein Haupt, Jesus Christus.


9. Wie der Mensch verwirrt und zerrüttet ist, wenn die Glieder etwas ohne das Haupt wirken, indem sie sich selbst zerreißen, verwunden und beschädigen, also sind auch die Glieder Christi, wenn sie ohne ihr Haupt etwas unter-nehmen, verwirrt und schlagen und beschweren sich selbst mit unweisen Gesetzen.


10. Daher sehen wir, dass die sogenannten geistlichen Satzungen über ihre Pracht, Reichtum, Stand, Titel, Gesetze eine Ursache aller Uneinigkeit sind, indem sie mit dem Haupt nicht übereinstimmen.


11. So toben sie noch stets, nicht des Hauptes wegen – denn dieses sucht man gegenwärtig durch die Gnade Gottes wieder zu seinem Glauben zu erheben – sondern weil man sie nicht weiter toben lassen, sondern allein

auf das Haupt horchen will.


12. Wenn man auf das Haupt horcht, lernt man lauter und klar den Willen Gottes, und der Mensch wird durch seinen Geist zu ihm gezogen und mit ihm vereinigt.


13. Darum sollen alle Christenmenschen allen Fleiß darauf anwenden, dass allein das Evangelium Christi allent-halben gepredigt werde.


14. Denn im Glauben an dasselbe beruht unser Heil, im Unglauben unser Elend; denn alle Wahrheit ist klar in ihm.


15. Im Evangelium lernt man, dass Menschenlehren und Satzungen zur Seligkeit nichts nützen.


16. Dass Jesus Christus der alleinige, ewige Opferpriester ist, daraus ersehen wir, dass diejenigen, welche sich für Oberpriester ausgegeben haben, der Ehre und Gewalt Christi widerstreben, ja ihn verdrängen.


17. Jesus Christus, der sich einmal für uns geopfert hat, ist ein in Ewigkeit währendes und bezahlendes Opfer für die Sünden aller Gläubigen.


18. Jesus Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen.


19. Weil uns Gott alle Dinge in seinem Namen gewähren will, so entspringt daraus, dass wir auch über diese Zeit keines anderen Mittlers bedürfen als seiner.


20. Jesus Christus ist unsere Gerechtigkeit; daraus ermessen wir, dass unsere Werke, insofern sie Christi sind, gut, insofern sie aber nur von uns herstammen, weder recht noch gut sind.


21. Wenn wir auf Erden füreinander beten, so geschieht es im Vertrauen, dass uns alle Dinge durch Jesus Christus allein verliehen werden.


22. Gott allein verzeiht die Sünde und zwar allein durch Jesus Christus, seinen Sohn, unsern Herrn.
 
Quelle: Christoffel, Zwinglis Leben und ausgewählte Schriften, Bd. II, Elberfeld 1857. Der Text wurde von mir sprachlich modernisiert. UWD
 
https://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:z:zwingli:zwingli-zwinglis_thesen_1522 

 


 

Nach den Worten Karl Barths lässt sich "Zwinglis ganzes Christentum zusammenfassen" in einem Satz seines Briefes am 16.06.1529 aus dem Lager bei Kappel: "Tut um Gottes willen etwas Tapferes!"

 

https://www.deutschlandfunk.de/500-jahre-zwingli-in-zuerich-weltgeschichtlich wichtige.886.de.html?dram:article_id=455693

 


 

Ulrich Zwingli

 

Ulrich (eigentlich Huldrych) Zwingli wurde am 1. Januar 1484 in Wildhaus geboren. Der wohlhabende Vater ermöglichte ihm die Ausbildung durch Privatlehrer in Basel und Bern. Um einen Beitritt Zwinglis zum Berner Dominikanerorden zu verhindern, sandte die Familie ihn 1498 an die weltliche Wiener Universität. 1506 erwarb Zwingli in Basel den philo-sophischen Magistergrad. Er wirkte zunächst als Prediger in Glarus und einige Jahre als Feldpriester der Schweizer Söldner in Oberitalien.

 

Öffentliche Kritik an der römisch-katholischen Kirche

 

1519 wurde Zwingli als Leutpriester an den Züricher Großmünster berufen. Seine Predigten waren bald stark von Luthers Schriften beeinflusst. Ermutigt vom Erfolg der Wittenberger Reformatoren kritisierte Zwingli öffentlich die römisch-katholische Kirche, den Kirchenzehnt und das Eheverbot für Priester.

 

Besonders aufsehenerregend war seine Billigung eines öffentlichen Wurstessens während der Fastenzeit 1522, obgleich das Essen von Fleisch in der Passionszeit untersagt war. Am 29. Januar 1523 stimmte der Stadtrat von Zürich den 67 Thesen Zwinglis zu und ebnete damit der Reformation den Weg. Um gewaltsame Ausbrüche zu verhindern, verlangte Zwingli eine schrittweise Aufhebung der alten Kirchenbräuche und die allmähliche Einführung einer neuen Gottes-dienstordnung.

 

Radikaler Reformator

 

Darüber hinaus arbeitete er an der Verbreitung der Reformation über Zürich hinaus nach Bern, Basel, Schaffhausen und Mühlhausen. In dieser Zeit verfasste er auch eine seiner berühmtesten Schriften, den „Kommentar über die wahre und die falsche Religion" (1525). 1529 traf Zwingli während der Marburger Religionsgespräche auf Martin Luther. Der Ver-such die Reformation durch ein Bündnis der beiden einflussreichen Reformatoren europaweit zu festigen scheiterte am sogenannten Abendmahls-Streit.

 

Seit 1529 begann Zwingli die geplanten Veränderungen in Zürich radikaler durchzusetzen. Mit einem Ratsbeschluss wurden die Bürger zum Gottesdienstbesuch gezwungen. Gegner wurden der Stadt verwiesen, Täufer hingerichtet und romtreuen Städten mit Krieg gedroht. Ein angeblich bei einer gemeinsamen Milchsuppe geschlossener Frieden mit den romtreuen Fünf Orten der Innerschweiz war daher auch nur von kurzer Dauer.

 

Im Sommer 1531 drängte Zwingli die Allianz der reformierten Orte zum Krieg gegen die Romtreuen und veranlasste eine erfolglose Lebensmittelsperre. Am 11. Oktober 1531 gelang den Katholiken bei Kappel ein vernichtender Sieg. 500 Züricher verloren ihr Leben, darunter auch Ulrich Zwingli. Er starb als Feldprediger mit dem Schwert in der Hand.

 

https://www.luther2017.de/de/reformation/und-ihre-menschen/huldrych-zwingli/index.html

 



 

«Herr, sollen wir mit dem Schwerte dreinschlagen?»

 

Das Motto des Zwingli-Denkmals bedurfte schon 1885 einer Rechtfertigung

 

https://www.nzz.ch/zuerich/herr-sollen-wir-mit-dem-schwerte-dreinschlagen-das-motto-des-zwingli-denkmals-bedurfte-schon-1885-einer-rechtfertigung-ld.1707883