Reich Gottes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jacob Jordaens, Christus belehrt Nikodemus


 

Johannes 3,1-21 - Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus 

 

1 Es war aber ein Mensch aus den Pharisäern, sein Name Nikodemus, ein Oberster der Juden. 2 Dieser kam zu ihm bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, daß du ein Lehrer bist, von Gott gekommen, denn niemand kann diese Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. 3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. 4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er etwa zum zweiten Male in den Leib seiner Mutter eingehen und geboren werden? 5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn daß jemand aus Wasser und Geist geboren werde, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. 6 Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist. 7 Verwundere dich nicht, daß ich dir sagte: Ihr müsset von neuem geboren werden. 8 Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt, und wohin er geht; also ist jeder, der aus dem Geiste geboren ist. 9 Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen? 10 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer Israels und weißt dieses nicht? 11 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden was wir wissen, und bezeugen was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmet ihr nicht an. 12 Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubet nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage? 13 Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist. 14 Und gleichwie Moses in der Wüste die Schlange erhöhte, also muß der Sohn des Menschen erhöht werden,15 auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. 16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, auf daß er die Welt richte, sondern auf daß die Welt durch ihn errettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Dies aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Denn jeder, der Arges tut, haßt das Licht und kommt nicht zu dem Lichte, auf daß seine Werke nicht bloßgestellt werden; 21 wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Lichte, auf daß seine Werke offenbar werden, daß sie in Gott gewirkt sind.

 



 

Johannes 18, 38

 

Jesu Gefangennahme


1 Als Jesus das geredet hatte, ging er hinaus mit seinen Jüngern über den Bach Kidron; da war ein Garten, in den gingen er und seine Jünger. 2 Judas aber, der ihn verriet, kannte den Ort auch, denn Jesus versammelte sich oft dort mit seinen Jüngern. 3 Als nun Judas die Schar der Soldaten mit sich genommen hatte und Knechte der Hohenpriester und Phari-säer, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und mit Waffen. 4 Da nun Jesus alles wusste, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr? 5 Sie antworteten ihm: Jesus von Nazareth. Er spricht zu ihnen: Ich bin’s! Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen. 6 Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich bin’s!, wichen sie zurück und fielen zu Boden. 7 Da fragte er sie abermals: Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus von Nazareth. 8 Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt: Ich bin’s. Sucht ihr mich, so lasst diese gehen! 9 Damit sollte das Wort erfüllt werden, das er gesagt hatte: Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast. 10 Nun hatte Simon Petrus ein Schwert und zog es und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Und der Knecht hieß Malchus. 11 Da sprach Jesus zu Petrus: Steck das Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?

Jesu Verhör vor Hannas und Kaiphas und die Verleugnung des Petrus


12 Die Schar aber und ihr Oberst und die Knechte der Juden nahmen Jesus und banden ihn 13 und führten ihn zuerst zu Hannas; der war der Schwiegervater des Kaiphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war. 14 Kaiphas aber war es, der den Juden geraten hatte, es wäre gut, ein Mensch stürbe für das Volk. 15 Simon Petrus aber folgte Jesus nach und ein an-derer Jünger. Dieser Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Palast des Hohenpriesters. 16 Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da kam der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, heraus und redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein. 17 Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieses Menschen? Er sprach: Ich bin’s nicht. 18 Es standen da aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlenfeuer gemacht, denn es war kalt, und sie wärmten sich. Aber auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich. 19 Der Hohepriester befragte nun Jesus über seine Jünger und über seine Lehre. 20 Jesus antwortete ihm: Ich habe frei und offen vor aller Welt geredet. Ich habe allezeit gelehrt in der Synagoge und im Tempel, wo alle Juden zusammen-kommen, und habe nichts im Verborgenen geredet. 21 Was fragst du mich? Frage die, die gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe. Siehe, sie wissen, was ich gesagt habe. 22 Als er so redete, schlug einer von den Dienern, der dabei stand, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? 23 Jesus antwortete ihm: Habe ich übel geredet, so beweise, dass es übel ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich? 24 Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem Hohenpriester Kaiphas. 25 Simon Petrus aber stand da und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht einer seiner Jünger? Er leugnete aber und sprach: Ich bin’s nicht. 26 Spricht einer von den Knechten des Hohen-priesters, ein Verwandter dessen, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm? 27 Da leugnete Petrus abermals, und alsbald krähte der Hahn.

Jesu Verhör vor Pilatus


28 Da führten sie Jesus von Kaiphas vor das Prätorium; es war aber früh am Morgen. Und sie gingen nicht hinein in das Prätorium, damit sie nicht unrein würden, sondern das Passamahl essen könnten. 29 Da kam Pilatus zu ihnen heraus und sprach: Was für eine Klage bringt ihr vor gegen diesen Menschen? 30 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. 31 Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Es ist uns nicht erlaubt, jemanden zu töten. 32 So sollte das Wort Jesu erfüllt werden, das er gesagt hatte, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde. 33 Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König? 34 Jesus antwortete: Sagst du

das von dir aus, oder haben dir’s andere über mich gesagt? 35 Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan? 36 Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier. 37 Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. 38 Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahr-heit? Und als er das gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm. 39 Ihr habt aber die Gewohnheit, dass ich euch einen zum Passafest losgebe; wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe? 40 Da schrien sie wiederum: Nicht diesen, sondern Barabbas! Barabbas aber war ein Räuber.

 


 

Reich Gottes

 

Lutz Franz

 

Ziel jeder Religion ist es, den Menschen Heil zu bringen. Das Wort "Heil" kommt aus dem Begriff "Ganz" - etwas ver-einfacht gesagt: Heil ist eine ganze Sache, nichts Halbes. Dem Heil der Menschen verpflichtet, zog er mit seinen An-hängern als Wanderpredigers durchs Land - Jesus von Nazareth. Er sprach vom Heil und nannte es das Reich Gottes. Jesus verkündete mit dem Reich Gottes etwas Gewaltiges und kaum Fassbares: eine heile Welt als letztendliches Ziel

der Geschichte. Kann eine solche Welt mehr als nur die idealisierte Vorstellungen eines von der Wirklichkeit abgeho-benen Wanderpredigers sein?

 

Christen und das sind immerhin über 2 Milliarden Menschen, sehen in Jesus jedoch nicht nur den guten Menschen von Nazareth, sondern sie sehen in ihm den zum Menschen gewordenen Gott, der den göttlichen Willen kundtat und vorlebte. Wenn er aber wirklich der zum Menschen gewordenen Gott ist, so legitimiert dies auch seine Botschaft - das Evangelium vom Reich Gottes. Das Evangelium ist dann keine Utopie, sondern weist in die Zukunft der Menschheit. Und dieses Reich hat mit dem Wirken Jesu in Galiläa vor 2000 Jahren schon begonnen! Von diesem Anfang her - dem status nascendi - soll nun das Reich immer mehr kommen und sich im Heil der Menschheit vollenden. Seitdem betet die Christenheit: "Dein Reich komme!".

 

Allerdings, wenn man in den TV-Nachrichten unsere heutige globalisierte Welt, abends für abends wahrnimmt, sieht man in weiten Teilen der Welt Terror und Kriege, Armut und Hunger, Umweltkatastrophen und Massenarbeitslosigkeit. Die Globalisierung führt dazu, dass eine Immobilienkrise in den USA das gesamte Weltfinanzsystem in heftige Turbu-lenzen versetzt und dass ein endlich besseres Leben in den Schwellenländern Indien und China und der Versuch, der drohenden globalen Klimakatastrophe mit der verstärkten Produktion von Biokraftstoff entgegen zu treten, zur welt-weiten Lebensmittelverknappung, zu einem rasanten Preisanstieg für Grundnahrungsmittel und zu Hungerrevolten in den ärmsten Ländern führt. Dort kann die unproduktive Landwirtschaft und die fortschreitende Umweltzerstörung die Ernährung der Bevölkerung aus eigenen Kräften nicht mehr gewährleisten. Das Reich Gottes dagegen, indem das Heil gedeihen soll, scheint aber immer noch im status nascendi zu sein.

 

Warum ist die Welt trotz des Wirkens des Heilandes nicht heil? Dies ist die Grundfrage des Christentums und darüber hinaus in mehr oder minder abgewandelter Form jeglicher Religion. Wenn wir sie beantworten könnten, würde sich auch der weitere Weg hin zu mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit in dieser Welt - hin zum Reich Gottes - abzeichnen. Allein dies rechtfertigt, sich dieser Frage ernsthaft zu stellen - auch auf die Gefahr hin, dass die Antwort letztendlich nicht jeden überzeugt.

 

Dazu müssen Achtungszeichen und Warnschilder gesetzt werden: Unsere Lage gleicht der eines Menschen, der Fern-sehmechaniker werden will. Er muss sich erst mit Elektrodynamik und Elektronik sowie mit der dahinter stehenden Mathematik beschäftigen, bevor er endlich praktisch am Fernseher arbeiten kann. Wir dagegen müssen zuerst wissen, was das Reich Gottes ist und wie es funktioniert. Man muss hier auch etwas über Gott wissen, der ja an sich ein Geheim-nis ist, um dessen Reich es sich aber handelt, und da kann nur etwas durch die Verkündigung von Jesus Christus in Erfahrung gebracht werden. Man kommt mit ethischen Tatbeständen wie Liebe und Gerechtigkeit in Berührung, muss Gleichnisse und die Bergpredigt verstehen, um schließlich mit ungewöhnliche Etappen des Weges wie Umkehr, Neu-geburt und Heiligung konfrontiert zu werden.

 

Mit dieser Sprache wird eine heile oder heilige Welt beschrieben und dies sogar noch vor 2000 Jahren, die so gar nichts mit der rauen Wirklichkeit unserer heutigen globalisierten Zivilisation zu tun haben scheint. Doch der Schein trügt. Zu Zeiten Jesu waren die Verhältnisse keinesfalls besser, sondern im Gegenteil regelrecht trostlos. Gesundheitsfürsorge und soziale Sicherungssysteme gab es nicht. Die Lebenserwartung war extrem niedrig, weil Krankheiten nicht be-herrscht wurden und die Menschen schon in jungen Jahren dahinrafften. Die Armen des Landes - und das war wegen einer maßlosen Steuer und Abgabenlast die Mehrheit des Volkes - hätten die heutigen Hartz IV Empfänger regelrecht beneidet. Wer aufmuckte, wurde von der Besatzungsmacht - den Römern - mit barbarischer Brutalität vernichtet. So

ließ der Feldherr Varus im Zuge einer Vergeltungsaktion 3000 Juden, in der überwiegenden Mehrheit völlig Unschul-dige, kreuzigen.

 

Da war es die Mission Jesu, den Menschen mit dem Gottesreich eine Perspektive des Heils zu eröffnen. Das Reich Gottes verhieß eine Alternative - es war die Verheißung einer Gesellschaftsordnung, in der Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit herrschte, in der keiner zu hungern brauchte und und in der es vor allem menschlich zuging. Mit seiner Ethik formu-lierte Jesus in einer den damaligen Menschen gut verständlichen Weise die dazu notwendigen Sozialisationserforder-nisse. Diese Gottesreich soll sich nun in einem evolutionären Prozess - der Heilsgeschichte entwickeln, um schließlich seine Vollendung zu finden. Doch es ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. In jeder historischen Epoche ist es für die Menschen eine Herausforderung, auch für uns heute. Das Reich Gottes wird für unsere Epoche wegen der weltum-spannenden sozialen Frage immer aktueller.

 

http://www.reichgottes.info/

 



 

Grundzüge der Reich-Gottes-Botschaft Jesu

 

Die Botschaft vom Reich Gottes ist die Kernbotschaft Jesu. Diese wird nicht als Konzeption vorgestellt, sondern in Gleich-nissen, Situationen (z. B. Sündermahlzeiten) und den Wundern Jesu konkret und erfahrbar. Dennoch können einige wesentliche Elemente, also "Grundzüge" der Reich-Gottes-Botschaft festgestellt werden:

 

1. Das Reich Gottes ist kein politisches Reich, sondern will neue, bisher unvorstellbare Beziehungen der Menschen untereinander und mit Gott lebendig werden lassen. So ist das Böse, mit dem die Welt und die Menschen konfrontiert sind, entmachtet. Zudem gilt das Reich Gottes allen Menschen guten Willens und ist nach Vorstellung Jesu nicht dem "auserwählten Volk" Israel vorbehalten (siehe unten).

 

2. Die Botschaft vom Reich Gottes oder wie es im Matthäusevangelium heißt von der Gottesherrschaft greift alttesta-mentliche Heilshoffnungen auf. Im Reich Gottes sind die Übel und das Leid der Welt, wie Krankheiten, Bosheit, Un-barmherzigkeit, Einsamkeit und Missachtung der Würde der Menschen überwunden. Dagegen gelten neue Maßstäbe für die Beziehungen der Menschen untereinander wie Gewaltlosigkeit, Nächsten- und Feindesliebe, Barmherzigkeit und Versöhnung.

 

3. Das Reich Gottes ist eine Größe in dieser Welt, allerdings noch unscheinbar und verborgen (vgl. Senfkorngleichnis Mt 13, 31f und Gleichnis vom Sauerteig Mt 13, 33 und andere Gleichnisse). Die Gleichnisse insgesamt weisen darauf hin, wie Jesu sich das Reich Gottes vorstellt (vgl. Lk 8, 9-10).

 

4. Auch die Wunder, die von Jesus berichtet werden, machen deutlich, dass das Reich Gottes in Anfängen schon gegen-wärtig ist, selbst wenn die Vollendung noch aussteht. Krankenheilungen überwinden konkretes Leid; Sündenverge-bungen eröffnen neue Perspektiven und ein neues Verhältnis zu Gott; mit den mehrfach überlieferten Dämonen-austreibungen wird deutlich, dass das Böse überwunden und entmachtet wird; Speisungswunder zeigen, dass Jesus nicht nur das geistige Wohl, sondern auch das körperliche Heilsein der Menschen möchte.

 

5. Das Reich Gottes ist schon in Jesus angebrochen, aber noch nicht vollendet („eschatologischer Vorbehalt“). Unter Eschatologie versteht man die Lehre von den letzten Dingen, also auch die Lehre vom Reich Gottes. "Eschatologischer Vorbehalt" bedeutet eben, dass das Reich Gottes schon begonnen hat, allerdings „vorbehaltlich“ dessen letzter Erfüllung, die nicht „von dieser Welt“ ist.

 

6. Das Reich Gottes ist letztlich ein Geschenk Gottes. Der Mensch allein kann das Reich Gottes nicht erarbeiten oder ver-dienen. (vgl. dazu u. a. Mk 10, 17-27, wo es um „Reichtum und Nachfolge“ geht). Deutlich wird dieser Geschenkcharakter auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn oder barmherzigen Vater (Lk 15,11-32). Ohne Vorwurf und ohne Leistungs-forderung geht der Vater dem heimkehrenden Sohn auf eigene Initiative entgegen und nimmt ihn wieder vorbehaltlos in die Gemeinschaft auf.

 

7. Das Reich Gottes ist ein Angebot an die Menschen. Dieses fällt nicht immer auf "fruchtbaren Boden" (vgl. Sämann-gleichnis Mt 13, 1-9 und Deutung Mt 13, 18-23). Wenn diese Botschaft, dieser Samen des Reiches Gottes aber auf-gegriffen wird und reifen kann, dann ergibt es eine überreiche Frucht.

 

8. Die Welt wird durch Gott zum Guten befreit. Ängste, Leid und Tod werden letztlich überwunden, wodurch Mensch und Welt zum Heil finden. Dabei wird im Verhalten Jesu deutlich, dass diese Befreiung zum Guten schon in dieser Welt sein soll. So jedenfalls sind seine Zeichen und Heilungen zu verstehen, die ja andeuten, dass irdisches Leid überwunden werden soll. Das Reich Gottes ist also nicht einfach als Leben nach dem Tod gedacht.

 

9. Das Reich Gottes bedeutet eine Umgestaltung und Verwandlung der Welt, sodass Gerechtigkeit, Friede, Freiheit und Liebe herrschen. In diesem Zusammenhang ist auch die Forderung der „Feindesliebe“ zu sehen, sodass das Reich Gottes selbst den Feinden offen steht. Alle Völker sollen im Reich Gottes vereint werden.

 

In besonderer Weise gilt die Botschaft vom Reich Gottes und damit die Zuwendung Gottes den "Verlorenen", den Ent-rechteten, denen, die am Rande der Gesellschaft stehen.

 

Weisung der Liebe und die Bergpredigt

 

Das Reich Gottes ist gekennzeichnet von der Güte und Barmherzigkeit Gottes. Es gilt das Gesetz der Liebe (Gott ist die Liebe), wobei der Mensch wichtiger ist als das Gesetz (vgl. Heilungen Jesu am Sabbat). In besonderer Weise wird das Außergewöhnliche der Reich-Gottes-Botschaft in der Bergpredigt (Mt 5-7), auch als "Rede von der wahren Gerechtig-keit" bezeichnet, verkündet. Die Bergpredigt ist eine Sammlung von Jesusworten, die so nur bei Matthäus vorkommt (vgl. dazu die Feldrede bei Lk 6, 20-49). Neben den Seligpreisungen, die verdeutlichen, dass das Himmelreich (wie das Reich Gottes bei Matthäus bezeichnet wird) den Barmherzigen, den Sanftmütigen, den Trauernden... in besonderer Weise zukommt, relativiert Jesus das mosaische Gesetz und überbietet es unter dem Aspekt der Liebe (bis hin zur Feindesliebe), die konkret werden solle im Leben und nicht nur als Gesetzeserfüllung verstanden werden soll. Dabei spricht man von einer "neuen Gerechtigkeit", die über das mosaische Gesetz hinausgeht (vgl. Perikope "Von der Vergel-tung", Mt 5, 38-42). Gewiss wird über die Bergpredigt immer wieder diskutiert werden (vgl. Bismarck: "Mit der Berg-predigt kann man keine Politik machen"). Wenn dieses Ethos der Bergpredigt aber befolgt würde (auch im Verhalten Einzelner), änderte sich die Welt und das Verhalten der Menschen zueinander. So kann man die Bergpredigt tatsächlich als "Aufforderung zur Nachfolge" verstehen. Jesus selbst möchte nämlich, dass die Menschen das Leben "in Fülle" haben, wie es im Johannesevangelium (Joh 10,10b) zum Ausdruck gebracht wird: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben."

 

Adressaten

 

Ursprünglich hat Jesus sich wohl an das Volk Israel mit seiner Botschaft gerichtet. Diese „Sammlungsbewegung des Volkes Israel“ drückt sich etwa auch in der Berufung der 12 Apostel aus, mit der Jesus an die 12 Stämme Israels an-knüpft. Schon bald allerdings öffnet sich die Botschaft Jesus und geht auch an „Adressaten“ außerhalb des eigentlichen Volkes Israels.

 

Die Einladung zum Reich Gottes richtet schließlich an alle, Juden und Heiden, v. a. auch an Sünder, Fremde, Randständige, Entrechtete, Kranke und „Menschen guten Willens“. In der Bergpredigt (Mt 5-7) wird so etwas wie ein Programm des Reiches Gottes aufgestellt. Dort wird auch deutlich, wem das Reich Gottes „offen steht“ (vgl. die Seligpreisungen Mt 5, 3-11), wo denen, die arm sind vor Gott, den Trauernden, denen, die keine Gewalt anwenden, denen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit usw., das Reich Gottes zugesagt (in jeweils unterschiedlichen Formulierungen). Dass die Botschaft vom Reich Gottes an alle geht, zeigt sich etwa auch darin, dass Jesus mit dem Zöllner Matthäus oder auch mit Zachäus auch offensichtliche „Verräter“ des jüdischen Volkes anspricht. Beim Oberzöllner Zachäus (Lk 19, 1-10) lädt er gar sich selbst sein, um diesem die Chance zu geben, sein Leben zu ändern.

 

Mit seinen „Sündermahlzeiten“ wendet er sich gegen geltende kultische Reinheitsvorschriften. Sein Umgang mit der „Sünderin“ ist provozierend. Die Mahlgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern und den „Sündern“ ist Zeichen und Vorweg-nahme des endgültigen himmlischen Hochzeitsmahles im Reich Gottes. Gleichzeitig ist diese Gemeinschaft ein Zeichen für die Aufnahme der Verlorenen und der Sünder in die Heils-gemeinschaft mit Gott. So wird Mahlgemeinschaft bei Jesus Zeichen des anbrechenden eschatologischen Heils, der neuen Gemeinschaft mit Gott und der Gemeinschaft der Menschen untereinander und somit Zeichen des anbrechenden Reiches Gottes.

 

Nachdem es letztlich von Gott selbst errichtet wird, kann es weder durch Gewalt noch durch fromme Bußübungen ge-wonnen werden. Jesus lehnt Gewalt ab. Das Reich Gottes fordert allerdings die Entscheidung des Menschen zur Umkehr (vgl. Mk 1,15). Die Umkehr kann auch verweigert werden. Jesus will die Menschen für dieses Reich Gottes gewinnen, ohne sie zu zwingen. Die Entscheidung für Jesus und das Reich Gottes bedeutet Loslösung von natürlichen und sozialen Bindungen, in letzter Konsequenz die Kreuzesnachfolge. Diese Vorstellung wird immer wieder deutlich und zeigt sich schließlich auch im Schicksal der Märtyrer.

 

Mit den Wundern, die von Jesus niemals als Erweis seiner besonderen Sendung missbraucht wurden, wird deutlich, dass Jesus das Heil der Menschen schon jetzt möchte. Menschen, die "von Dämonen besessen waren" (heute würde von von psychischen Erkrankungen sprechen) waren nicht mehr "Herr" ihrer selbst, galten als von Gott übergangen (Krankheit wurde immer auch als Strafe Gottes interpretiert), waren aus der Gesellschaft und vom religiösen Leben ausgeschlossen (wie auch Aussätzige) und konnten so kein Selbstbewusstsein mehr entwickeln. Jesus gelang es, den Menschen wieder eine Perspektive zu geben, ihnen die Würde zurückzugeben, ihre Gottebenbildlichkeit wieder spürbar werden zu lassen. Mit den Krankenheilungen und den Zeichen im Umfeld derselben (Wahrnehmung der Berührung der blutflüssigen Frau, In-die-Mitte-stellen der gekrümmten Frau in der Synagoge, Zugehen auf kranke oder sündige Menschen, dem Nennen ihrer Namen, der Sendung nach ihrem Zuhause, Heilung am Sabbat) holt Jesus die Menschen zurück in die Gemeinschaft und überwindet religiöse Vorurteile und Festsetzungen (wie z. B. Verbot der Heilung am Sabbat).

 

Reich-Gottes-Vorstellungen anderer Gruppierungen zur Zeit Jesu

 

Johannes der Täufer

 

Johannes erwartet den baldigen Anbruch der Gottesherrschaft. Diese wird durch ein Strafgericht eingeleitet, das erst einen neuen Bund mit Gott ermöglicht. Nur wenige können vor dem Zorn Gottes bestehen. Die Zeitspanne, durch Buße und Umkehr gerettet zu werden, ist knapp.

 

Jesus schließt sich ursprünglich der Bewegung Johannes des Täufers an (er selbst sich selbst taufen). Schließlich löst er sich aber auch innerlich von dieser Vorstellung der Reich-Gottes-Botschaft, bei der Strafe und Gericht im Zentrum stehen. Für Jesus sind Liebe, Güte und Barmherzigkeit Gottes die Kennzeichen der Botschaft vom Reich Gottes. Alles Leid, alle Tränen und alle Qual wird enden.

 

Pharisäer

 

Oftmals werden die Schriftgelehrten gemeinsam mit den Pharisäern genannt. Dies ist insofern richtig, als die Schrift-gelehrten, die man als die berufsmäßigen Theologen bezeichnen kann, meistens zur Gruppe der Pharisäer gehörten. Diese wiederum waren eine Laienbewegung im Gegensatz zu den Sadduzäern, die die priesterliche Gruppe bildeten. Die Pharisäer wurden mit der Zeit zur Gelehrtenzunft, also eigentlich zu Schriftgelehrten. Ihr Anliegen war es, die strenge Gesetzestreue zu vermitteln und dafür Sorge zu tragen, dass die Gesetze strengstens beachtet werden. Der eigentliche Tempelkult, also der Besuch der Synagoge oder des Tempels mit Gebet und Schriftlesung, war ihnen dagegen weniger wichtig.

 

Die Pharisäer genossen in der Bevölkerung, insbesondere bei Ungebildeten, aufgrund ihrer Gesetzeskenntnis große Autorität. Ihre Bemühungen waren durchaus religiöser, nicht politischer Natur. In ihrer Auslegung des alttestament-lichen Gesetzes war die buchstaben-getreue Erfüllung höchstes Ideal. So hatten die unzähligen Einzelvorschriften, die

in der mündlichen Überlieferung weitergegeben wurden, für sie dieselbe Geltung wie das schriftliche Gesetz. Oftmals werden sie als Gegner Jesu dargestellt, ohne ihren (z. T. allerdings übertriebenen) Eifer für die Religion zu würdigen.

Die Pharisäer wollen das ersehnte Kommen des Reiches Gottes (ein alttestamentliches Motiv) durch vertiefte Frömmig-keit und strenge Gesetzesbeobachtung beschleunigen. Für sie ist das Reich Gottes die vollkommene Erfüllung der Thora (des mosaischen Gesetzes).

 

Jesus sieht das Reich Gottes mit seiner Person schon anfänglich verwirklicht. Letztlich kann dieses aber nicht durch religiös-ethische Leistung geschaffen werden. Damit löst sich Jesus auch von dem alttestamentlichen „Tun-Ergehen-Schema“. Die Abgrenzung Jesu gegenüber den pharisäischen Vorstellungen wird immer wieder deutlich, wenn er etwa auch am Sabbat Zeichen vollbringt.

 

Essener

 

Die Essener ziehen sich aus der Welt und dem Tempelkult zurück. Sie lebten in quasi kloster-ähnlichen Gemeinschaften. Durch strenge kultische Reinheitsvorschriften, Ehelosigkeit und Armut wollen sie sich für den „Tag Jahwes“ vorbereiten. Sie verstehen sich selbst als „Heiliger Rest Israels“ oder als „Söhne des Lichts“, die sich von den „Söhnen der Finsternis“ abgrenzen müssen.

 

Jesus löst sich nicht von der Welt. Übertriebene kultische Reinheit lehnt er ab. Seine Vorstellung vom Reich Gottes richtet sich an alle Menschen und nicht nur an einen „heiligen Rest“. Kultische Reinheit oder gar Abgrenzung sind ihm völlig fremd. Jesus provoziert gar durch seinen Umgang mit Außenseitern, Zöllner und Sündern, die nach essenischer Vorstellung keinen Zugang zum Reich Gottes hätten. Seine „Sündermahlzeiten“ sind geradezu Vorwegnahme des Reiches Gottes.

 

Zeloten

 

Die zelotische Bewegung begann ihren „terroristischen“ Widerstand mit der Einführung der römischen Grund- und Kopfsteuer in Judäa im Jahre 6 n. Chr. Sie sehen das Reich Gottes als politische Größe, die u. a. Unabhängigkeit vom Römischen Reich und einen Neuaufbau des Reiches Davids bedeutet (politische Theokratie). Ihre Messiaserwartung richtet sich auf einen politischen Führer. Um dieses Reich Gottes zu erlangen, sind sie zu Gewalt und terroristischen Aktionen bereit. Letztlich wollen sie durch eigene Taten das Reich Gottes aufbauen. Widerstand gegen Rom ist für sie gar religiöse Verpflichtung, weil der römische Kaiser für sich die Titel König und Herr beansprucht, die nach jüdischer Vorstellung allerdings exklusiv Gott vorbe-halten sind. Die Zeloten sind somit so etwas wie Untergrundkämpfer für das Reich Gottes ihrer Vorstellung. In den Jahren 66 bis 70 n. Chr. errangen sich die Zeloten eine politisch führende Rolle und stürzten das Volk letztlich in einen aussichtslosen Kampf gegen Rom, der mit der Zerstörung Jerusalems durch Titus Flavius im Jahre 70 endete.

 

Jesus lehnt Gewalt ab. Er vertritt sogar die provozierende Forderung nach der Feindesliebe (vgl. Mt 5, 38-42). Zudem wird seiner Vorstellung nach das Reich Gottes durch Gottes Barmherzigkeit und Liebe geschenkt und ist nicht durch Gewalt zu erreichen. Die Reich-Gottes-Botschaft Jesus bedeutet nicht, dass das ehemalige politische Reich (nach dem Vorbild des Königs David im 10. Jahrhundert v. Chr.) wieder aufgebaut werden soll, sondern ein radikal neues Verhältnis der Menschen zu Gott und der Menschen untereinander. Das „Gesetz“ des jesuanischen Reiches Gottes ist die Liebe, nicht die (politische) Macht. Letztlich ist das Reich Gottes, wie es Jesus in seiner Botschaft vertritt, gar kein irdisches Reich, sondern unterliegt dem „eschatologischen Vorbehalt“, d. h. obgleich es schon anfänglich begonnen hat, harrt es der endgültigen Verwirklichung, die nur durch Gott selbst erfolgen kann (Geschenk Gottes).

 

Sadduzäer

 

Die Sadduzäer sind als theologisch konservative Gruppierung gegen Umkehr und Veränderung. Sie rekrutierten sich vornehmlich aus Priestern. Die Sadduzäer genossen zwar weniger Ansehen beim Volk wie die Pharisäer, beherrschten allerdings den Hohen Rat. Sie ließen nur das geschriebene Gesetz Mose, den Pentateuch oder die „Thora“, gelten. Sie sind vielmehr an Machterhalt und Besitzstandswahrung interessiert. Sie kooperierten mit den Römern.

 

Für Jesus bedeutet das Reich Gottes eine radikale Umkehr hin zu Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Gewaltlosigkeit. Das Reich Gottes wirkt sich auf das Verhältnis der Menschen zueinander und gegenüber Gott aus.

 

Apokalyptiker

 

Diese Gruppe verband die Hoffnung auf die große endgeschichtliche Wende und den Anbruch der „Gottesherrschaft“ mit messianischen Erwartungen. Charakteristisch ist die sogenannte „Zwei-Äonen-Lehre“. Der gegenwärtige Äon (soviel wie Zeitalter) steht unter der Herrschaft Satans, die sich durch Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Leid, Krankheit und Sünde zeigt. Der „kommende Äon“, den Gott selbst oder sein Gesalbter heraufführen soll, ist demgegenüber Ausdruck der Herrschaft Gottes, wesentlich gut, potenziertes Leben und Glück. Zwischen dem derzeitigen Äon und dem zukünftigen steht nach Vorstellung der Apokalyptiker ein „Gericht“ als kosmisches Ereignis, bei dem die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden.

 

Von Jesus ist eigentlich nirgends ein derartig ausgeprägter Dualismus (von gut und böse, Satans Äon und Gottes Äon usw.) überliefert. Im Gegenteil. Er versucht, schon hier anfänglich mit seinen Zeichen und Wundern und mit seinem Verhalten eine Ahnung vom Reich Gottes aufscheinen zu lassen. Die Welt ist nicht schlecht, sondern zeigt schon Anfänge des Reiches Gottes. Damit lässt sich auch Jesus selbst nicht als Vertröster der Menschen auf ein Jenseits missbrauchen. Für Jesus gibt es durchaus ein erfülltes Leben vor dem Tod.

 

http://bsbzarchiv.de/unterricht/reich_gottes.htm

 






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N. T. Wright: The Church Continues the Revolution Jesus Started
https://www.christianitytoday.com/ct/2016/october-web-only/
n-t-wright-jesus-death-does-more-than-just-get-us-into-heav.html
Wright, The Church Continues the Revolut
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