Sonstiges

 

 

 

 

Höhlenausgang
Höhlenausgang

 

 

 

 

Fritz Heidegger

 

Die Nacht ist das Faß des Seins.

 

Das Fassende des Faßbaren ist die Nacht. Sie faßt, indem sie übernachtet. So gefaßt, nachtet das Faß in der Nacht. Sein Wesen ist die Gefaßtheit in der Nacht. ... Die Nacht ist das Faß des Seins. Der Mensch ist der Wächter des Fasses. Dies ist seine Ver-Fassung. Das Fassende des Fasses aber ist die Leere. Nicht das Faß faßt die Leere - und nicht die Leere das Faß, sie fügen einander wechselweise in ihr Faßbares. Im Erscheinen des Fasses als solchem aber bleibt das Faß selbst aus. Es hat sein Bleibendes in der Nacht. Die Nacht übergießt das Faß mit seinem Bleiben. Aus dem Geschenk dieses Gusses west die Fasnacht. Es ist unfaßbar.

 

 


 

 

Kurt Tucholsky

Ontologie der Löcher


Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist. Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut.

Wenn der Mensch "Loch" hört, bekommt er Assoziationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.

Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finsteren, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch gerade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.

Wenn der Mensch ein Loch sieht, hat er das Bestreben es auszufüllen, dabei fällt er meist hinein. Man tut also gut, um die Löcher einen großen Bogen zu machen, wobei man sich nicht wundern darf, wenn man in andere fällt. Man falle also lieber in das erste. Loch ist Schicksal.

Das Merkwürdige an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aber beständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Loches schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Lochs ... festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsere Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigene.

Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.

Löcher, die sich vermählen, werden eines, einer der sonderbarsten Vorgänge, unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch - ? oder der linke zum rechten ? oder jeder zu sich ? oder beide zu beiden ? Meine Sorgen möchte ich haben.

Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann ? Drückt es sich seitwärts in die Materie ? oder läuft es zu einem anderen Loch, um ihm sein Leid zu klagen ? - Wo bleibt das zugestopfte Loch: niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.

Wo ein Ding ist, kann kein anderes sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein anderes sein ? Und warum gibt es keine halben Löcher - ?

Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze Übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.

Das Ding an sich muß noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich. Wer mit einem Bein im Loch stäke und mit dem anderen bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und das Loch ist das Primäre.

Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind, werden Sie erst merken, was Leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.